Salat

Ein Buch ist ein Text, ist ein Posting, ist ein Kommentar, der ein Posting sein kann, das ein Buch werden könnte, das auf einem Kindle als PDF als Kommentar ein Artikel sein kann, der ein Word-Dokument sein könnte, das als Kommentar zu einem Posting ein Text ist, der zu einer Bochure den Kommentar zu einem Kommentar in einer Zeitung, die auch Texte bespricht, die Postings postet, die als DjVU-Datei in epub gewandelt irgendwo einem Paper als Kommentar dienen, der später als Artikel auf einem Tablet zu einem Buch weiterverarbeitet werden wird. Oder anders.

Die Formen sind unendlich wandelbar und an jeder Grenze stehen seit je die Geschäftsmodelljäger Schlange, die uns vorgaukeln wollen, es gäbe keinen Weg an ihnen vorbei. Erfinde eine Grenze, suggeriere ihre Naturnotwendigkeit und kassiere.

Eigentlich

Eigentlich impliziert jede rethorische, mitunter brilliante „Wiederlegung“ warum X nienienie klappen wird, die unterbewusst ängstliche Vorannahme das „es“ klappen/funktionieren kann. Warum sonst sollte man sein Tagwerk rund um etwas, das es nie geben wird virtuos ranken? Man konstruiert ja auch eher selten sein Lebenswerk um rosa Einhörner, ausser man möchte das Taschengeld und die Aufmerksamkeit von cognitv-challenged Jugendlichen.

Der Subtext müsste also kosequent lauten: Ich will das nicht. Das ist allderdings die Wurzel, die konsequent im Wahnsinn von Theo Kaczynski endet.

Luft schaufeln oder Digital werden

Der Artikel bei Telopolis mag seine Schwächen haben, legt aber den Finger auf eine Wunde die seit Jahrzehnten, nein Jahrhunderten eine schwelende Grundhaltung zwischen Religion und Naturwissenschaften bezeichnet und sich heute bis in den Ort durchzieht, in dem arbeitslose Geisteswissenschaftler ihr Endlager finden: das Feuilleton.

„Doch bis heute ist es dabei geblieben, dass Menschen mit geisteswissenschaftlichem Hintergrund dazu neigen, die KI klein zu reden.“ Das scheint ein mentaler Reflex zu sein. Geisteswissenschaftler nerven und schrauben von Jahr zu Jahr immer hektischer und mit zunehmender Komplexheit an ihren Argumenten, während das historisch erworbene, von der Theologie geerbte Podest unter ihnen Häppchen für Häppchen zerbröselt.

Mit Vogel Strauss ist diese Haltung nur schwach umrissen. Es ist der hegemonische Deutungsanspruch, die, wie im Artikel beschrieben herablassende wieselwendig brilliante, mit Verbalseife eingeschmierte Dominanzhaltung derer, die sich frühzeitig in ihrem Leben für „geisteswissenschaftliche“ Disziplinen entschieden haben, die mit Sicherheit nienienienie ein Problem lösen werden. Erstaunlicherweise rekrutieren Machteliten historisch ihren Nachwuchs ja eher aus den sprachbasierten juristischen Fakultäten, lassen sich von Soziologen beraten und betrachten Naturwissenschaftler in ihren Reihen als Unfall, um dann ihre Stabilitäts- und Shareholderansprüche ans Management durchzureichen. Das ist dann auch die feine, kaum wahrnehmbare Hintergrundstrahlung jeder geistes“wissenschaftlichen“ Disziplin: Stabilität. Wolle die Wandlung (Rilke), hat seit je dort keine Heimat, allenfalls als Lippenbekenntnis zum „Change“. Wandlung wollen ist Evolution oder Revolution.

Dieser Deutungsanspruch in historischer Personalunion mit politischer Macht wurde Ende der 50iger von C. P. Snow mit dem Begriff der zwei Kulturen grob auf den Punkt gebracht.

Wikipedia: „Unter dem Begriff Zwei Kulturen (englisch Two Cultures) wird die ursprünglich durch C. P. Snow 1959 vorgenommene Analyse des Wechselspiels von geisteswissenschaftlich-literarischer Kultur einerseits und naturwissenschaftlich-technischer Kultur andererseits verstanden. Dabei schreibt Snow den Geisteswissenschaftlern eine pessimistische, der Vergangenheit zugewandte und „im tieferen Sinne antiintellektuelle“ Geisteshaltung zu, der eine vorausblickende, optimistische Naturwissenschaft gegenüber stehe. Diese Dichotomie zwischen Naturwissenschaft (Erklären) und Geisteswissenschaft (Verstehen) spielt auch im Methodenstreit eine Rolle. In seinem Werk Die dritte Kultur (1995) verneint John Brockman den Optimismus Snows, dass eine effektive Kommunikation zwischen den beiden Kulturen in Sicht sei.“

Von einer Position der zuendegedachten Natur- und Ingenieurswissenschaften rückwärts zu spekulieren und uns im Heute die großen Linien der weiteren Evolution der Menschheit jenseits von Talaren, Ikonen und den je lokalen Worthelden zu skizzieren, wird wohl kaum zu verlangen sein. Das Wesen jeder Kritik besteht schliesslich darin, plausibel zu machen – ich sage bewusst nicht: zu beweisen – warum etwas nicht geht, nicht darin was geht oder gar erstrebenswert wäre auf dem Hintergrund der maximalen, physikalischen Grenzen.

Wir müssen darauf warten, das sich die Geistes“wissenschaften“ wie dieser russische Bolide heute Morgen in der Luft zerlegen werden. Die abstürzenden Brocken werden Schaden anrichten, die Luft wird aber danach klarer sein und die Sterne deutlicher erkennbar.

(Fein, und niemand kann hier kommentieren. Gute Entscheidung)

Veränderung

Ich werde hier die Kommentare abstellen. Das hat verschiedene Gründe:

1) Erstens sind es nicht mehr so viele. Die Pioniertage des Bloggens sind vorüber, wo auf jeden Furz 52 Kommentare eintrudelten, wie damals so circa 2003/4 im Mehrzweckbeutel. Die Horde zieht weiter, zerstreut sich oder schrubbelt sich an lustigeren Feuerchen. (Überhaupt: Lustig muss es sein!)

2) Auch wenn Akismet hier aufpasst, muss man doch regelmässig reinschauen und Zeit investieren um die Spamgülle zu löschen. Irrationaler Zeitaufwand für den ein oder anderen kongenialen Kommentar.

3) Wenn ein Post heute kommentiert wird, dann irgendwo da draussen. Kontrollverlust. Also konsequent: Macht doch was ihr wollt. Historisch gesehen war das damals richtig, eine Kommentarfunktion zu haben, weil die meisten Leser ja keine andere Möglichkeit hatten, das cluetrainige Gespräch zu pflegen. Heute: Where you want, whenever you want. Gehet hin und labert, aber nervt meine Datenbank nicht voll. Man kann das auch als eine provozierte Steigerung der doppelten Kontingenz bezeichnen.

5) Wenn ein Post die Interessenpanzer (Vorkenntnisse, IQ, Alter… ) eines Lesers durchbricht, kann dieser genauso gut aus seinem eigenen Blog verlinken oder irgendwo da draussen seine „Meinung“ streicheln. Die Gedanken sind frei. Wer im eigenen Blog einen Gedanken aufgreift, verändert, erweitert, wird auch stilistisch anders – und ich schätze für alle Beteiligten produktiver – reagieren als in einem hingerotzen Impulskommentar um 1:13Uhr. Himmel, was ich hier schon gelöscht habe! (Ja, I confess, ich tutete es.)

5a) Wer das alles im Jahre 2013 nicht oder nirgendwo hinbekommt, mit dem – aber lassen wir das.

6) Wer den Austausch mit mir sucht, findet ihn auch.

All das hat natürlich auch mit dem veränderten Umfeld durch FB, G+, Twitter und anderen Silos zu tun. Die Suppe ist dünn geworden und wird täglich immer dünner und flüchtiger. Die sich dort herrausbildende Akkumulation der Aufmerksamkeit folgt anderen als sachlichen Kriterien. Aber das ist ein old hat aus der Netzwerktheorie, gelle? (Salganik, Watts, Dodds; 2006)

Ich sehe und fühle schon jetzt Vorteile im Schreiben, denn der Akt des Schreibens ist bei mir eine Art imaginierter Dialog mit einem je unterschiedlichen, imaginierten, wohlwollenden Publikum. Wenn die obigen Punkte aus diesem Dialog den mentalen Stress rausnehmen: Süper!

Für die Zukunft sehe ich die Notwendigkeit einen Schreibfocus zu entwickeln, der auch den heraufdämmernden technischen Möglichkeiten gerecht wird. Watson ist da nur ein Symptom, das noch lange nicht zu Ende gedacht ist. Da pennen alle Wortakrobaten und meinen noch mit Plausibilitäten weiterhin durchkommen zu können. Einfache Plausibilitätsstile wie sie im Business-Bereich oder in soziologisierenden Texten simuliert werden, sind aber in naher Zukunft gefährdet bis auf die Glasknochen nackisch gemacht zu werden. Dieser Herausforderung werden viele durch die Flucht in totale Subjektivität oder Verspassung begegnen. Die andere Richtung wird an steigender Humorlosigkeit erkennbar sein.

Ein verändertes Design ist durch diese Entscheidung auch möglich geworden.

Gehet hin und machet was ihr wollt!

Nie wieder KommenTiere!

Weitermachen

Das ist eine der negativen Begleiterscheinungen der Marktkriege um unsere Kommunikationskotzbröckchen: Gespräche werden in dieser historisch-technologischen Phase zersplittert. Aber das ist keine Folge dieses Internets, sondern des kommerziellen Kampfes um noch den kleinsten Splitter auf Facebook, Google Plus, Twitter oder sonstwo.

Chr. Kappes hat wie ein Rohr im Wind sensibel auf meine gestrige Anregung reagiert. Ich hab den Text als kongenialen Anschluß empfunden: Mehr Impro. Mission accomplished. Ob es nun im Detail Makelpunkte gibt oder nicht: Das ist Job von Kusy, der muss immer richtig liegen, weil er an einem anderen (meines Erachtens überkommenen) Gestus feilt. 😉

Es gab ja in den 70igern oder 80igern so Schreibbewegungen: schreib dich frei mit ohne Töpfern. Vielleicht ist es jetzt auch so: Welche stilistische Lage brauchen wir um die explodierende Kontingenz zu reduzieren? Da hilft meines Erachtens in der Phase der Suche – in der wir alle Stecken – nur diese pre-adaptive, chaotische Haltung, in dem Schreib- und Autorenhaltungen permutiert werden. Mehr Kerouac, mehr Burroughs, mehr Versuch. Die Schmerzen, die aus der krampfhaften, nicht passenden Reduktion auf die alten Medienmodelle resultieren, sind Indikator und Sensor. Schuhe, die nicht mehr passen. Leider spricht der Schuster eine Sprache, die wir nur radebrechend im Vollzug lernen können. 

„Ich beobachte bei mir, wie es sich auch in die analoge Kommunikation frisst.“ Kann ich definitiv aus meinem analogen Labor genau so bestätigen. Ist seit längerer Zeit meine persönliche Defintion von „cloud“. Ich schleppe Threads, Stream, Topics, mit in den Meatspace, es fliesst über, führt zu Schweigen, weil ich gerade 7 mentale Tabs auf habe, die meine Scarcity Gegenübers sehen müssten, damit wir einen optimaleren Anschluss hätten. Momente des sich nicht verständlich machen könnens, weil diese verdammte Augmented Reality NOCH nicht da ist. Nur noch thematisierbar auf einer Metaebene.

Und wenn Bruno Jennrich meint: Das nervt ihn, weil der Autor sich um den Leser bemühen muss – verständlich sein und so -: fuck it! Der Autor sterbselt nicht nur rum weil sich die Formen ändern, sondern auch weil die Öffentlichkeit sich ändert. Es geht nicht mehr um massenmediale Maximierung, die sich in harter Formulierarbeit des Autörchens äussert, weil jeder „Autor“ in Zukunft ein Publikum haben wird, das weit unterhalb Dunbars Number liegen wird und das genau seiner Thematik, Stillage und „Verständlichkeit“ entsprechen wird. Jeder Pott wird seinen Deckel finden. Alles nur noch unendliche Gespräche.

Schwung der Figur im wendenden Punkt

Flüssiges zu flüssigem. Teilnehmen in einem Fluss. Keine kanonischen Texte mehr, sondern Teilnahme an einem großen kontingenten Fluss. Darin liegt auch das Unverständnis begründet, das Menschen die nicht aktiv im Netz unterwegs sind, selbigem entgegenbringen. Darum ist Free Jazz für den Zuhörer anstrengender, als für den aktiven Improvisator. Darum sind Denker wie Kusanowsky auch immer noch in einer Geste befangen, die versucht zu argumentieren und kanonische Erkenntnisse zu simulieren. Wir müssen hier – und das hier ist das Überall morgen – neue stilistische Schreibhaltungen erfinden, die diesem 24/7 Fluss mehr entsprechen, als die der Seminaristen, Föjetongisten oder Postdocs. Wer sich mit der Cut-up Technik von Burroughs anfreunden kann, ist der Zukunft des Schreibens und der Kommunikation näher als alle Gralswächter der Theorie je sich wähnten.

So zu tun als ob man ein Medium wäre gibt mir keine Ispiration mehr. Die Figur der Demokratisierung der Medien ist so falsch wie möglich. Die darin begründete Schreibhaltung, die sich ihren Stil sucht ebenfalls. Das imaginierte Publikum behindert unsere Zukunft. Die nächste Gesellschaft ersteht in Sätzen, die zu einem ganz anderen imaginierten Publikum spricht, als das der Abituraufsätze, Features, Bücher und Dissertationen.

Science Fiction ist nicht mehr unsere Zukunft. Die Symbole, die uns bis zur Erregung inspirieren müssen heute, hier erfunden, gefunden werden.

Mehr Impro. Mehr Groove!