Der Negativraum öffentlicher Kommunikationen

Nur weil ich etwas teile, heisst das nicht, das ich mich mit dem Inhalt identifiziere oder ihm zustimme. Nur weil ich etwas nicht teile, heisst das nicht, das ich mich mit dem Inhalt nicht identifiziere oder ihm nicht zustimme. In beiden Fällen könnte es Grundlage für Exptrapolationen oder inverse Schlüsse sein. Die Dennunziation – nicht Kritik – bestimmter Inhalte und Quellen fördert Identifikationen. Vertrackte Dynamiken. Aber wenn die einmal laufen ist vieles erledigt.

Implizites Axiom aller Sozialen Medien: Das was ich poste mit meiner Identität zu tun hat.

Ad Böhmermann/Varoufakis 2

Herrlich. T.B. aus D. fragt sich auf F.B. bezüglich dieses schalen Sehrkurzhyperkritikbeitrags  von DeutschlandRadio Kultur (really?) „Warum ist die Welt nur so langweilig.“

Man kann die Eigenschaft „langweilig“ auch anders deuten. Eine risikoarme Medienroutine ist Zeichen der Überforderung die angerissenen Metaebenen nicht betreten zu wollen. Minenfeld. Da muss erst aus der Chefetage was kommen. Der Praktikant wird sich hüten geistreich sein zu wollen, auch wenn er im Studium mit Vlusser, McLuhan oder sogar Luhmann brilliert hat.

Ad Böhmermann + Varoufakis

Ein wichtiger Akt der Paranoisierung der Öffentlichkeit, insbesondere der klassischen Medien und des Internets. Noch ein paar weitere dieser Aktionen und wir werden dazu erzogen alles zu hinterfragen und uns zwangsweise mit Fehlschlüssen, Plausibilitäten, versteckten Agenden bis hin zu Geostrategie und Co auseinanderzusetzen. Unter Druck – in diesem Fall der erzwungene Verlust von medialer Glaubwürdigkeit – gibt es zwei Möglichkeiten: Transformation oder Regression. You choose.

Natürlich bin ich mir im klaren darüber das der Fake ein doppelter sein könnte. Und eben darum dreht es sich. Komplette Paranoisierung aller Quellen und Erziehung zum Denken.

Gewohnheiten – Habits

Das erste Axiom sollte sein, das Gewohnheiten veränderbar sind. Ohne dieses Axiom besteht keine Hoffnung.

Für mich gerade relevant: die informationellen Gewohnheiten. Vormalig standen die Nutzungsgewohnheit gerade bei den in den gesellschafltichen Ablauf integrierten Medien fest. Jetzt: Wenn man die Selbstbeobachtung wagt und die Freiheiten nutzt, sind diese Gewohnheiten durchaus formbar. Ich muss immer häufiger an die Pipes von Yahoo denken. Die Pipes unserer Internetnutzung können verstellt werden, neu verschaltet, Gehäuse verlassen, gebaut oder genutzt werden. Mich wundert, das das geht, aber kaum genutzt wird. Unsere Nutzung der Ströme ist selbst über 20 Jahre nach dem Einbruch von „Internet“ in die breite Nutzung immer noch von alten Medienreflexen geprägt. Die Geschäftsmodelljäger wissen das. Die Enkel von Edward Bernays erst recht.

Überkommene Medienreflexe: Ein Text muss ein Artikel sein. Muss einen Anfang und ein Ende haben. Muss eine bestimmte Mindestlänge haben. Muss von einem gewissen Tenor getragen werden. Die Veröffentlichung eines einzigen Wortes: unmöglich. Die Liste der stilistischen und formalen Kriterien, die wir mit uns rumschleppen und vorbewusst als Meßlatte unseres Verhaltens und Outputs anlegen ist höllisch fruchtbar. Denn die Negation aller Kriterien ist technisch möglich in 2014.

Dem Experiment, dem Unausgegorenen und der Stimmung gehört die Zukunft.

Salat

Ein Buch ist ein Text, ist ein Posting, ist ein Kommentar, der ein Posting sein kann, das ein Buch werden könnte, das auf einem Kindle als PDF als Kommentar ein Artikel sein kann, der ein Word-Dokument sein könnte, das als Kommentar zu einem Posting ein Text ist, der zu einer Bochure den Kommentar zu einem Kommentar in einer Zeitung, die auch Texte bespricht, die Postings postet, die als DjVU-Datei in epub gewandelt irgendwo einem Paper als Kommentar dienen, der später als Artikel auf einem Tablet zu einem Buch weiterverarbeitet werden wird. Oder anders.

Die Formen sind unendlich wandelbar und an jeder Grenze stehen seit je die Geschäftsmodelljäger Schlange, die uns vorgaukeln wollen, es gäbe keinen Weg an ihnen vorbei. Erfinde eine Grenze, suggeriere ihre Naturnotwendigkeit und kassiere.

Professionalität als Leitsymptom

Was mich fasziniert ist die in Serie (Mehrin, Guttenberg, Chatzimarkakis, Wulff…) dargestellte „Professionalität“ und Coolness im „Umgang“ mit Massenmedien im Moment der Präsenz, on the spot, vor der Kamera, vor dem Mikrofon. Da liegt eines der deutlicheren Leitsymptome, das uns in Zukunft jedes Gesicht aus dem polititischen Dunstkreis verleiden wird.

Dieses Symptom hat zwei Enden. Das eine weist auf die Schnittstelle zu den Medien, das andere auf die Agenda, die sich nicht aus der einzelen Person, sondern aus einem dahinterstehenden Interessengeflecht ergibt. Beide Enden fusionieren in einer charakterlich disponierten Person, die kaum Angst und eine niedrige Schuld- und Schamschwelle gerade in der Öffentlichkeit hat. Langsam müsste aber dieses Muster auch jedem Bildleser auffallen. Soziologen allerdings zuletzt.