Luft schaufeln oder Digital werden

Der Artikel bei Telopolis mag seine Schwächen haben, legt aber den Finger auf eine Wunde die seit Jahrzehnten, nein Jahrhunderten eine schwelende Grundhaltung zwischen Religion und Naturwissenschaften bezeichnet und sich heute bis in den Ort durchzieht, in dem arbeitslose Geisteswissenschaftler ihr Endlager finden: das Feuilleton.

„Doch bis heute ist es dabei geblieben, dass Menschen mit geisteswissenschaftlichem Hintergrund dazu neigen, die KI klein zu reden.“ Das scheint ein mentaler Reflex zu sein. Geisteswissenschaftler nerven und schrauben von Jahr zu Jahr immer hektischer und mit zunehmender Komplexheit an ihren Argumenten, während das historisch erworbene, von der Theologie geerbte Podest unter ihnen Häppchen für Häppchen zerbröselt.

Mit Vogel Strauss ist diese Haltung nur schwach umrissen. Es ist der hegemonische Deutungsanspruch, die, wie im Artikel beschrieben herablassende wieselwendig brilliante, mit Verbalseife eingeschmierte Dominanzhaltung derer, die sich frühzeitig in ihrem Leben für „geisteswissenschaftliche“ Disziplinen entschieden haben, die mit Sicherheit nienienienie ein Problem lösen werden. Erstaunlicherweise rekrutieren Machteliten historisch ihren Nachwuchs ja eher aus den sprachbasierten juristischen Fakultäten, lassen sich von Soziologen beraten und betrachten Naturwissenschaftler in ihren Reihen als Unfall, um dann ihre Stabilitäts- und Shareholderansprüche ans Management durchzureichen. Das ist dann auch die feine, kaum wahrnehmbare Hintergrundstrahlung jeder geistes“wissenschaftlichen“ Disziplin: Stabilität. Wolle die Wandlung (Rilke), hat seit je dort keine Heimat, allenfalls als Lippenbekenntnis zum „Change“. Wandlung wollen ist Evolution oder Revolution.

Dieser Deutungsanspruch in historischer Personalunion mit politischer Macht wurde Ende der 50iger von C. P. Snow mit dem Begriff der zwei Kulturen grob auf den Punkt gebracht.

Wikipedia: „Unter dem Begriff Zwei Kulturen (englisch Two Cultures) wird die ursprünglich durch C. P. Snow 1959 vorgenommene Analyse des Wechselspiels von geisteswissenschaftlich-literarischer Kultur einerseits und naturwissenschaftlich-technischer Kultur andererseits verstanden. Dabei schreibt Snow den Geisteswissenschaftlern eine pessimistische, der Vergangenheit zugewandte und „im tieferen Sinne antiintellektuelle“ Geisteshaltung zu, der eine vorausblickende, optimistische Naturwissenschaft gegenüber stehe. Diese Dichotomie zwischen Naturwissenschaft (Erklären) und Geisteswissenschaft (Verstehen) spielt auch im Methodenstreit eine Rolle. In seinem Werk Die dritte Kultur (1995) verneint John Brockman den Optimismus Snows, dass eine effektive Kommunikation zwischen den beiden Kulturen in Sicht sei.“

Von einer Position der zuendegedachten Natur- und Ingenieurswissenschaften rückwärts zu spekulieren und uns im Heute die großen Linien der weiteren Evolution der Menschheit jenseits von Talaren, Ikonen und den je lokalen Worthelden zu skizzieren, wird wohl kaum zu verlangen sein. Das Wesen jeder Kritik besteht schliesslich darin, plausibel zu machen – ich sage bewusst nicht: zu beweisen – warum etwas nicht geht, nicht darin was geht oder gar erstrebenswert wäre auf dem Hintergrund der maximalen, physikalischen Grenzen.

Wir müssen darauf warten, das sich die Geistes“wissenschaften“ wie dieser russische Bolide heute Morgen in der Luft zerlegen werden. Die abstürzenden Brocken werden Schaden anrichten, die Luft wird aber danach klarer sein und die Sterne deutlicher erkennbar.

(Fein, und niemand kann hier kommentieren. Gute Entscheidung)