Überschuss

Es gibt Kommunikationen die über den autopoietischen Standard hinausgehen. Wenige, oder im Subtext verborgen. Die kleine Kraft, die sich an den Rand dessen robbt, was den täglichen Schmumpf ausmacht, der den Laden mit Hilfe kommunizierender Röhren aufrechterhält. Reproduktion ist notwendig, führt aber dazu das Systeme in the long run nur brittle werden. Nur der Überschuss, der extropische Überschuss rettet vor dem Einschlag aus dem Welt(en)raum hinüber in den Weltentraum.

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Wenn jemand Scheisse redet

  • Zuerst und zuvorderst schweigen, zuhören. Im günstigsten Moment freundlich verabschieden.
  • Falls ein Körnchen Wahrheit vorhanden ist, hat man wenigstens zugehört. Nicht das die das bräuchten, der Klang ihrer eigenen Stimme verzückt sie hinreichend. Vielleicht hat man sogar eine Nuance gelernt. Das eigene Schweigen kann ein erquicklicher Quell faszinierender Einsichten sein. Ähnlich dem Stream of conciousness bei Hörspielen.
  • Bei hinreichendem intellektuellen Masochismus kann man diese auch dem dialektischen Widersacher unterbreiten und wird überrascht sein wieviele Lücken in der eigenen Argumentation jener in 3 Millisekunden finden wird. Lay back and enjoy!
  • Falls man einer ausgemachten Quatschattacke ausgesetzt ist: Meistens ist man dann einem Dunning-Krüger-Helden in die Arme gelaufen, der oder die Einwände oder Gegenargumente sowieso wegfegen und Taubenschach spielen muss. Muss, weil sie unstillbare charakterliche Dämonen füttern müssen. Dominanzangst, Kontrollverlustängste, Overconfidence, lebenslang unstillbare Aufmerksamkeitsabgründe.
  • Im Falle, das man leider an einem gemeinsamen Ziel arbeiten muss oder die andere Person sanktionsfähig ist, muss der Konflikt so respektvoll wie möglich ausgetragen werden. Umgekehrt darf man allerdings nie Respekt erwarten und muss lernen mit Sticheleien, Sarkasmus, old and simple Beleidigungen umzugehen lernen. Kostenloses Training. Geduld und kommunikatives Jiu-Jitsu.
  • Wenn man das als lebenslanges Lernprojekt betrachtet, dann mit level-k thinking und dem japanischen Yomi auseinandersetzen. Think ahead.
  • Triggerwörter vermeiden, umformulieren:
    • An zunehmend feuchterer Aussprache zu erkennen oder das die Stimme eine Oktave höher rutscht. Dann beginnt ein linguistisch kreativer Slalom. Ist man wirklich, wirklich in der Lage etwas zu erklären oder zu sagen ohne das Triggerwort zu nutzen?
  • Nichtrelevante Person: Eine Person die sich meinungsstark und Dunning-Krügerisch zu einem Thema äussert obwohl sie in keiner Position ist, die ihre Meinung relevant oder wirkungsvoll machen würde. Hier ist angebracht zu schweigen, aber respektvoll zuzuhören, obwohl das anstrengend bis zehrend sein kann. Genauso schnell und intensiv wie solche Menschen zum Instantexperten werden können, so schnell können sie auch das Thema wechseln. Man braucht also nur abzuwarten. Als Instantexperte und Meinungsböller gibt es an jeder Ecke und jeden Moment viel zu tun und man muss leider von Thema zu Thema hetzen.
  • Die meisten meinungsfreudigen Quatschköppe leben ihren Trieb ausserhalb jeglicher Kontexte aus, in denen sie auch nur einen Hauch von funktionaler Kompetenz hätten. Hat man das mal erkannt wird es angenehm ruhig. Man muss zu Meinung nicht auch eine Meinung haben.
  • Und: ja mir ist klar, das Du das lesen könntest. Vielleicht sogar mich selbst in Zukunft dabei erwischst wie ich Scheisse labere. 😉 Vielleicht sogar jetzt.

Zumutung

Die Abstraktionszumutung schlechthin ist die Erkenntnis, das Regelkreise im wesentlichen inhaltsneutral funktionieren. Ob Wasser, Elektrizität oder Gelaber: egal. Systemische Metadummheit setzt auf Verstand in Systemen, für die der Code wahr-falsch nur eine Störung darstellt.

Lustig und schnell muss es sein. Vor allem schnell, weil dadurch jeder Dämpfungsfaktor gegen Null gefahren werden kann.

Wird leider fortgesetzt.

Die Intelligenz der Umwelt

Folgt man der heuristisch-strategischen Maxime John Boyds:

IQ (ours) ≤ IQ (theirs)

könnte man ableiten, das diese Annahme jungen Menschen eigentlich nur in seltensten Fällen möglich ist. Unter 30 wird diese Relation eher umgekehrt empfunden und gelebt. Dadurch wird das Scheitern schöner, aber auch die zufälligen Erfolge.

Überschuss

Wer zu den Kommunikationen des Netzes keine überschüssige Komplexität beisteuert, trägt nicht zur emergierenden Ausdifferenzierung bei. Nur im spielerischen, unberechenbaren liegt die Zukunft einbeschlossen. Die nachäffenden Figuren (Stil, Form, Design, Medien, Organisation…) sehen nicht nur alt aus. Sie sind es. Kein Überschuss.

Die Nomenklatur des Leidens und der Panda-Effekt

Zuerst erschienen im Mehrzweckbeutel (Gemeinschafstblog mit Mario Sixtus und Richie Gleim) am 22.3.2003

Ich sehe in einer Talkshow einen Zutzelbart mit Abi, der sich gegen den Irakkrieg engagiert. Während ich noch über seinen eitlen Versuch kontempliere, sich in Hückelshofen eine Rastamähne wachsen zu lassen, kriecht plötzlich in mir ein politisch unkorrekter Verdacht hoch. Umklammert meine Lobi, gibt ihnen Ohrfeigen, so wie man einen Ohnmächtigen ins Bewusstsein holt.

Aufwachen! Hallo! Jemand zu Hause!? Was ist denn mit den vielen Kriegen, die gerade überall auf der Welt stattfinden? Wieso kommen die Magenbittergesichter immer nur auf die Mattscheibe, wenn es plakative, grobe Bilder gibt? Sind das nur die Mechanismen der Mediengesellschaft oder liegt dahinter etwas subtileres?

Gerade in diesem Moment wird jemand zu Tode gefoltert. Gerade in diesem Moment tritt ein Kind auf eine Mine. Gerade in diesem Moment erhält jemand die Diagnose Krebs. Gerade in diesem Moment stirbt jemand Hungers. Gerade in diesem Moment stirbt eine gesamte Art aus. Gerade in diesem Moment passiert etwas Wortfernes. Bildfernes. Unsägliches. Mord. Unfall. Krankheit. Und es erzeugt Leiden. Jetzt und jetzt und vorhin und gleich. Mit mehr oder weniger großer tödlicher Sicherheit. Und nicht jedem ist die Gnade des Todes gegeben…

Die Unterscheidung von durch Menschen verursachtes Leiden und natürlichem Leiden bedient sich nur einer der höheren Stufen der wertenden Leidenshierarchie. Leiden ist Leiden. Leiden ist nicht quantitativ. Leiden ist nicht qualitativ. Leiden ist, weil wir sind. Umfassendes Mitgefühl macht keine Unterschiede.

Wie still war es in den Städten ´91 als Saddam die Kurden besuchen liess? Wie still ist es, wenn ein einsamer Mensch stirbt? Zutzelbärte mit Abi brauchen die groben Leidensbilder, weil sie die feine Firnis des Leidens, die in unsere Existenz eingewoben ist, noch nicht sehen können.

Eine Mischung aus Kindchenschema und Phantasielosigkeit zwingt den WWF mit dem Panda um Spenden zu bitten. Ein schleimiger Wurm der auch auf der Liste der bedrohten Arten steht, hat kein Kuschelpotential.

Oma Müller stirbt einsam. Peruanische Bauern sterben einsam, wenn die maoistischen Todesschwadronen das Dorf verlassen. Tausende sterben ohne eine Demo in Hückelshofen.

Nieder mit dem Leiden! Nieder mit dem Tod! Tod den Tränen! Asyl für gebrochene Herzen!

Leiden ist in unsere Existenz eingewoben. Wieso treten „spirituelle“ Zeitgenossen immer erst aus gegebenem Anlass an die Petitionstische? Ein Anlass ist gegeben. Soso. Ist er sonst nie gegeben? Sind das die gleichen Leute, die erwarten das man ihnen Mitgefühl entgegenbringt, wenn ihr Kind stirbt? Entweder wir werten Leiden nicht oder wir entscheiden auf einer Gehaltsliste des Leidens was unser Mitgefühl und Engagement verdient hat. Natürlich kann man in einem technischen Sinne gegen dies oder das sein und sich für historische große und kleine Details einsetzen.

Aber geht es an, das man sich im einen Moment erstaunt und entrüstet, und im anderen wegclickt? Ein Dilemma, das nur mit einer umfassenden inneren Haltung zum Leiden lebbar ist. Man hilft da, wo man steht und verhält sich so, das Leiden minimiert und Mitgefühl maximiert wird.

Alles andere ist persönlicher oder kultureller Narzismus und ein Sozialisations-Durchlauferhitzer. Von Krieg nicht überrascht werden, heisst umfassendes Mitgefühl praktizieren können. Vielleicht.