Zumutung

Die Abstraktionszumutung schlechthin ist die Erkenntnis, das Regelkreise im wesentlichen inhaltsneutral funktionieren. Ob Wasser, Elektrizität oder Gelaber: egal. Systemische Metadummheit setzt auf Verstand in Systemen, für die der Code wahr-falsch nur eine Störung darstellt.

Lustig und schnell muss es sein. Vor allem schnell, weil dadurch jeder Dämpfungsfaktor gegen Null gefahren werden kann.

Wird leider fortgesetzt.

Die Intelligenz der Umwelt

Folgt man der heuristisch-strategischen Maxime John Boyds:

IQ (ours) ≤ IQ (theirs)

könnte man ableiten, das diese Annahme jungen Menschen eigentlich nur in seltensten Fällen möglich ist. Unter 30 wird diese Relation eher umgekehrt empfunden und gelebt. Dadurch wird das Scheitern schöner, aber auch die zufälligen Erfolge.

Überschuss

Wer zu den Kommunikationen des Netzes keine überschüssige Komplexität beisteuert, trägt nicht zur emergierenden Ausdifferenzierung bei. Nur im spielerischen, unberechenbaren liegt die Zukunft einbeschlossen. Die nachäffenden Figuren (Stil, Form, Design, Medien, Organisation…) sehen nicht nur alt aus. Sie sind es. Kein Überschuss.

Die Nomenklatur des Leidens und der Panda-Effekt

Zuerst erschienen im Mehrzweckbeutel (Gemeinschafstblog mit Mario Sixtus und Richie Gleim) am 22.3.2003

Ich sehe in einer Talkshow einen Zutzelbart mit Abi, der sich gegen den Irakkrieg engagiert. Während ich noch über seinen eitlen Versuch kontempliere, sich in Hückelshofen eine Rastamähne wachsen zu lassen, kriecht plötzlich in mir ein politisch unkorrekter Verdacht hoch. Umklammert meine Lobi, gibt ihnen Ohrfeigen, so wie man einen Ohnmächtigen ins Bewusstsein holt.

Aufwachen! Hallo! Jemand zu Hause!? Was ist denn mit den vielen Kriegen, die gerade überall auf der Welt stattfinden? Wieso kommen die Magenbittergesichter immer nur auf die Mattscheibe, wenn es plakative, grobe Bilder gibt? Sind das nur die Mechanismen der Mediengesellschaft oder liegt dahinter etwas subtileres?

Gerade in diesem Moment wird jemand zu Tode gefoltert. Gerade in diesem Moment tritt ein Kind auf eine Mine. Gerade in diesem Moment erhält jemand die Diagnose Krebs. Gerade in diesem Moment stirbt jemand Hungers. Gerade in diesem Moment stirbt eine gesamte Art aus. Gerade in diesem Moment passiert etwas Wortfernes. Bildfernes. Unsägliches. Mord. Unfall. Krankheit. Und es erzeugt Leiden. Jetzt und jetzt und vorhin und gleich. Mit mehr oder weniger großer tödlicher Sicherheit. Und nicht jedem ist die Gnade des Todes gegeben…

Die Unterscheidung von durch Menschen verursachtes Leiden und natürlichem Leiden bedient sich nur einer der höheren Stufen der wertenden Leidenshierarchie. Leiden ist Leiden. Leiden ist nicht quantitativ. Leiden ist nicht qualitativ. Leiden ist, weil wir sind. Umfassendes Mitgefühl macht keine Unterschiede.

Wie still war es in den Städten ´91 als Saddam die Kurden besuchen liess? Wie still ist es, wenn ein einsamer Mensch stirbt? Zutzelbärte mit Abi brauchen die groben Leidensbilder, weil sie die feine Firnis des Leidens, die in unsere Existenz eingewoben ist, noch nicht sehen können.

Eine Mischung aus Kindchenschema und Phantasielosigkeit zwingt den WWF mit dem Panda um Spenden zu bitten. Ein schleimiger Wurm der auch auf der Liste der bedrohten Arten steht, hat kein Kuschelpotential.

Oma Müller stirbt einsam. Peruanische Bauern sterben einsam, wenn die maoistischen Todesschwadronen das Dorf verlassen. Tausende sterben ohne eine Demo in Hückelshofen.

Nieder mit dem Leiden! Nieder mit dem Tod! Tod den Tränen! Asyl für gebrochene Herzen!

Leiden ist in unsere Existenz eingewoben. Wieso treten „spirituelle“ Zeitgenossen immer erst aus gegebenem Anlass an die Petitionstische? Ein Anlass ist gegeben. Soso. Ist er sonst nie gegeben? Sind das die gleichen Leute, die erwarten das man ihnen Mitgefühl entgegenbringt, wenn ihr Kind stirbt? Entweder wir werten Leiden nicht oder wir entscheiden auf einer Gehaltsliste des Leidens was unser Mitgefühl und Engagement verdient hat. Natürlich kann man in einem technischen Sinne gegen dies oder das sein und sich für historische große und kleine Details einsetzen.

Aber geht es an, das man sich im einen Moment erstaunt und entrüstet, und im anderen wegclickt? Ein Dilemma, das nur mit einer umfassenden inneren Haltung zum Leiden lebbar ist. Man hilft da, wo man steht und verhält sich so, das Leiden minimiert und Mitgefühl maximiert wird.

Alles andere ist persönlicher oder kultureller Narzismus und ein Sozialisations-Durchlauferhitzer. Von Krieg nicht überrascht werden, heisst umfassendes Mitgefühl praktizieren können. Vielleicht.

Veränderung

Ich werde hier die Kommentare abstellen. Das hat verschiedene Gründe:

1) Erstens sind es nicht mehr so viele. Die Pioniertage des Bloggens sind vorüber, wo auf jeden Furz 52 Kommentare eintrudelten, wie damals so circa 2003/4 im Mehrzweckbeutel. Die Horde zieht weiter, zerstreut sich oder schrubbelt sich an lustigeren Feuerchen. (Überhaupt: Lustig muss es sein!)

2) Auch wenn Akismet hier aufpasst, muss man doch regelmässig reinschauen und Zeit investieren um die Spamgülle zu löschen. Irrationaler Zeitaufwand für den ein oder anderen kongenialen Kommentar.

3) Wenn ein Post heute kommentiert wird, dann irgendwo da draussen. Kontrollverlust. Also konsequent: Macht doch was ihr wollt. Historisch gesehen war das damals richtig, eine Kommentarfunktion zu haben, weil die meisten Leser ja keine andere Möglichkeit hatten, das cluetrainige Gespräch zu pflegen. Heute: Where you want, whenever you want. Gehet hin und labert, aber nervt meine Datenbank nicht voll. Man kann das auch als eine provozierte Steigerung der doppelten Kontingenz bezeichnen.

5) Wenn ein Post die Interessenpanzer (Vorkenntnisse, IQ, Alter… ) eines Lesers durchbricht, kann dieser genauso gut aus seinem eigenen Blog verlinken oder irgendwo da draussen seine „Meinung“ streicheln. Die Gedanken sind frei. Wer im eigenen Blog einen Gedanken aufgreift, verändert, erweitert, wird auch stilistisch anders – und ich schätze für alle Beteiligten produktiver – reagieren als in einem hingerotzen Impulskommentar um 1:13Uhr. Himmel, was ich hier schon gelöscht habe! (Ja, I confess, ich tutete es.)

5a) Wer das alles im Jahre 2013 nicht oder nirgendwo hinbekommt, mit dem – aber lassen wir das.

6) Wer den Austausch mit mir sucht, findet ihn auch.

All das hat natürlich auch mit dem veränderten Umfeld durch FB, G+, Twitter und anderen Silos zu tun. Die Suppe ist dünn geworden und wird täglich immer dünner und flüchtiger. Die sich dort herrausbildende Akkumulation der Aufmerksamkeit folgt anderen als sachlichen Kriterien. Aber das ist ein old hat aus der Netzwerktheorie, gelle? (Salganik, Watts, Dodds; 2006)

Ich sehe und fühle schon jetzt Vorteile im Schreiben, denn der Akt des Schreibens ist bei mir eine Art imaginierter Dialog mit einem je unterschiedlichen, imaginierten, wohlwollenden Publikum. Wenn die obigen Punkte aus diesem Dialog den mentalen Stress rausnehmen: Süper!

Für die Zukunft sehe ich die Notwendigkeit einen Schreibfocus zu entwickeln, der auch den heraufdämmernden technischen Möglichkeiten gerecht wird. Watson ist da nur ein Symptom, das noch lange nicht zu Ende gedacht ist. Da pennen alle Wortakrobaten und meinen noch mit Plausibilitäten weiterhin durchkommen zu können. Einfache Plausibilitätsstile wie sie im Business-Bereich oder in soziologisierenden Texten simuliert werden, sind aber in naher Zukunft gefährdet bis auf die Glasknochen nackisch gemacht zu werden. Dieser Herausforderung werden viele durch die Flucht in totale Subjektivität oder Verspassung begegnen. Die andere Richtung wird an steigender Humorlosigkeit erkennbar sein.

Ein verändertes Design ist durch diese Entscheidung auch möglich geworden.

Gehet hin und machet was ihr wollt!

Nie wieder KommenTiere!