Für Komplexität

Wenn man dem Luhmannschen Bonmot folgt, das man gegen Komplexität nicht protestieren kann, dann sollte es aber möglich sein, wenn nicht gar notwendig, mehr Komplexität anzustreben. Daraus folgt natürlich der Ruf die Beschleunigung zu beschleunigen, in der Hoffnung auf eine höhere Ebene zu transformieren, auf der dann die Probleme der Komplexität der vorherigen Ebene sich wieder entzwirbeln lassen.

Temporalisierung von Komplexität

Immer dann, wenn Zeit zum entscheidenden Faktor wird, bewegt sich ein System am Rande der Katastrophe. Wenn Onkel Niklas recht hatte mit der These, das Systeme ihre eigene Komplexität prozessieren, indem sie sie temporalisieren (SozSys S76 ff) – also known as: Eine Panik nach der anderen! – dann kann es ab jetzt nur noch ungemütlicher werden. Der ganze Laden auf Terra wird sich noch händeringend Utopien herbeisehnen, um der gesamtgesellschaftlichen Regression zu entgehen. Unbeherrschbare Komplexität auf einer ausgereizten Ebene ist ein Schachspiel in slow motion auf der nächst höheren. Nur wo ist sie?

Endgame an allen Fronten

Es scheint ein Zeichen des Niedergangs großer Kulturen zu sein, das sie durch ihre eigene Dynamik die verborgenen Interessen wie eine Fratze, die aus dem Schlamm emporgedrückt wird sichtbar werden lässt. Mit jedem Tick-Tack-Tag werden die Widersprüche greifbarer und die Kräfte der Polarisierung fühlbarer. Mit jedem Tag wird es einfacher auf diese Fratze und die dahinter rotierenden kranken Interessen hinzuweisen. Mit jedem Tag wird es einfacher Sätze zu formulieren, die noch vor Jahren als radikal gescholten wurden. Der latente Bedeutungsgehalt dessen, was sich nun konvulsivisch aus dem Schlamm des Kapitalismus erhebt, war dennoch immer da und unsere Schuld besteht zum Teil auch darin Menschen verlacht zu haben, die sahen welche Schrecken tief unten auf uns warten würden.

Google Reader

Eigentlich wollte ich etwas vernünftiges absondern über den neuen superduper Trend in the wings: Influence, aber gerade jetzt (now!) schwillt mir recht artig der Kamm über so ein folgenreiches Detail wie den Zeilenabstand in der Listenansicht im neuen Google Reader. Da GR mein tägliches Hauptwerkzeug neben Mail und Gitarre ist, sind die emotionalen Auswirkungen auch ungefähr gleichwertig zu Mail-server down oder Wirbelkastenbruch.
Also was soll das? Der Zeilenabstand ist seit gestern abend im neuen Design so groß das die Lesegeschwindigkeit schmerzhaft ausgebremst wird. Ich bin gewöhnt schnell und viel zu lesen. Das fühlt sich jetzt im Reader so an wie waten durch Beton. Sehr angenehm. Welchen Don haben wir beleidigt? Den großen Adword-Don? Muss die allgemeine Lesegeschwindigkeit runtergedrückt werden? Ist irgendeinem Marketingfuzzzi in Mountainview aufgefallen das die Lesegeschwindigkeit mit irgendeiner geldwerten Maßzahl korreliert? Ich muss hier aufhören, weil ich sonst meine Medikation nachkalibrieren muss…

Kompetenzsimulation und Sykophantentum

Geht mir seit Wochen rund und rund. Betrifft die Kultur oder Unkultur derer, die mit Wissen zu tun haben und nicht in planbaren ökonomischen Verhältnissen abgesichert sind. Was man dort bis in die stilistischen Pirouetten hinein beobachten kann, zeichnet sich für mich als eine ständige 24/7 Simulation von Kompetenz ab, gepaart mit einem strategischen Sykophantentum, das jeden Handwerker Würegreflexe haben lässt.
Bei der sich abzeichnenden gesellschaftlichen und ökonomischen Unsicherheit kann das nur noch mehr werden. In Blogs, in Kommentaren, in Gesprächen, in Meetings – mit dem Ergebnis, das die größten Con-Artists in den letzten Monaten des heiligen römisc.. äh Kapitalismussusses nach oben gespült werden.

Nachtrag: Ich benutze den Begriff Sykophant eher im englischen Sinne: „Im Englischen bedeutet sycophant heute Kriecher, Speichellecker, Schleimer.“

Inkompetenz als Programm

An den ausfransenden Rändern unserer Metaphern schnürt die Hoffnung auf der Suche nach Sinn. Jede Bürde die ihr aufgelastet wird, lässt diese blind werden für das unerwünschte Neue.