Dystopien im Kleinen

Durch den Dressurakt der Perpetuierung alter massenmedialer Routinen praktizieren mittlerweile Horden pseudosozial agierender Teilnehmer in diesem Netzdings so eine Art dystopischer Erosion am utopischen Potential dieser Superkiste.

Vorläufige Liste der täglichen, rückwärtsgewandten Reflexe:

  • Eigene Postings liken, plussen.
  • Teasertexte auf reisserischem Bildniveau
  • Terminen zusagen, Hauptsache man ist auf einer Liste
  • Me too Kommentare
  • Eycatchende Fotos aus public domain Quellen mit 2pt-Quellangabe unter eigenem Account veröffentlichen
  • Huch-ich-bin-interviewt worden Tweets
  • x Thesen- oder Manifesto-Postings
  • Bloggen mit Vorankündigung (Morgen schreibe ich dazu was…[Steigerung: …vielleicht])
  1. Die Leute dressieren sich selbst durch zwei einfache Feedback-Regeln: Die Kommunikation darf um keinen – KEINEN – Preis abbrechen und
  2. alles was einer Adresse zugeordnet werden kann, muss maximiert werden, früher auch bekannt unter dem Begriff „Einschaltquote“.

Warnung: Wenn der Hinweis auf ein Symptom als erste Reaktion einen Schwall von tu-quoques hervorbringt, sollte das ein Zeichen dafür sein, das es hier was zu entdecken gibt.

Nachtrag 10 Juli 2012: Fritz Iversens treffende Beobachtunge ergänzen meine https://plus.google.com/108779888428725998710/posts/6mi4EMYCYph

Markovs Hölle

Macht man sich einen fachlichen Wortschatz zu eigen, werden bestimmte Verhalte nicht mehr sagbar, andere hinwieder schnurren wie von selbst unter das geneigte Publikum. Die Blindheit, die jede markovsche Kette erzeugt, ist der Preis für ein bischen Gemeinschaft, Rhythmus, und den Abglanz einer ästhetischen Illusion.

Professionalität als Leitsymptom

Was mich fasziniert ist die in Serie (Mehrin, Guttenberg, Chatzimarkakis, Wulff…) dargestellte „Professionalität“ und Coolness im „Umgang“ mit Massenmedien im Moment der Präsenz, on the spot, vor der Kamera, vor dem Mikrofon. Da liegt eines der deutlicheren Leitsymptome, das uns in Zukunft jedes Gesicht aus dem polititischen Dunstkreis verleiden wird.

Dieses Symptom hat zwei Enden. Das eine weist auf die Schnittstelle zu den Medien, das andere auf die Agenda, die sich nicht aus der einzelen Person, sondern aus einem dahinterstehenden Interessengeflecht ergibt. Beide Enden fusionieren in einer charakterlich disponierten Person, die kaum Angst und eine niedrige Schuld- und Schamschwelle gerade in der Öffentlichkeit hat. Langsam müsste aber dieses Muster auch jedem Bildleser auffallen. Soziologen allerdings zuletzt.

Uhren

Uhren kann man bewundern. Uhren kann man auseinandernehmen. Uhren kann man begreifen. Die Zeit kann man teilen. Die Konzepte der Teilung abwägen. Die Zeiger bewundern. An den Moment glauben, in dem die Spitze eines Zeigers das eigene Dasein beglaubigt.

Oder zurücktreten, das Spiel beschreiben, auf die Zeiger zeigen und das Blatt in Flammen aufgehen lassen.

Theorie der Gesellschaft

Das gesellige Sein wälzt sich durch die Jahrhunderte, treibt glühenden Stahl vor sich her über Wiesen. Nicht unterscheidend ob Brand oder Blüte. Kein Auge hört nie.

Morgenfragment am Abend

Das geistige Leben eines Phänotyps schöpft seine Fülle aus der Frage ob ein Grund gefunden werden kann, oder ob die schwelende Erinnerung einer tiefen Erfahrung den Grund für die Vision bildet. Qualitativ weitermachen  kann nur, wer dieser Sehnsucht oder jenem Schmerz folgt. Das endlose Gespräch lebt aus dem Reflex auf diese Pole. Das Universum ist die größtmögliche Projektionsfläche für diesen Schmerz und diese Sehnsucht.