Die Arbeitswelt des Chronisten

Der beobachtende Chronist vergangener Jahrhunderte flanierte ins Cafe, lehnte sich zurück, schlürfte dezent an seinem Café ole und betrachtete die condition humana von einem schmalen Stühlchen aus. Heute lehnt er sich immer noch zurück und auch der Kaffee ist noch da, aber seine Hand umklammert nicht mehr den France Soir oder die FAZ, sondern eine Maus. Die sozialen Phänomene nähern sich der schlecht übersetzten, alttestamentarischen Variante von „Logos“: Worte garniert mit visuellen Ausrufen. Der Logos tauscht Sichtbarkeit gegen Dynamik. Der Tanz wird wilder werden und vor Freude jauchzen wenn nur noch gilt:

Wolle die Wandlung. O sei für die Flamme begeistert, drin sich ein Ding dir entzieht, das mit Verwandlungen prunkt jener entwerfende Geist, welcher das Irdische meistert, liebt in dem Schwung der Figur nichts wie den wendenden Punkt. (Rilke)

Zuerst erschienen im Mehrzweckbeutel (Gemeinschafstblog mit Mario Sixtus und Richie Gleim) am 16.2.2003

Wanderer in wandernder Landschaft

Sich in einer statischen Landschaft im Laufe des Lebens eine plausible Landkarte herzuleben, ist Stoff vergangener Skripte und Plots. Mit Intelligenz und Regelzeug war das in früheren Zeiten zu schaffen. Heute? Eine dynamische Landschaft. Dynamische Regeln. Ein changierender Horizont. Eine Leinwand die sich verändert und dennoch die klassischen Entwicklungsstufen abbilden muss. Thumbnails, die einen Film ergeben sollen. Hüpfen von Stein zu Stein, wie in einem irren Zengarten. Heute sinnvolle Verzweigungen, können morgen für Nachfolger eine Strasse ins Nichts bedeuten. Technologie und Poesie verschmelzen, weil beides interpretiert werden muss. Heraklit ahnte ja nicht, wieviel Rhei im Pantha sein kann.‘

Zuerst erschienen im Mehrzweckbeutel (Gemeinschafstblog mit Mario Sixtus und Richie Gleim) am 31.1.2003

Und ihr ruft nach Utopien … na toll

Ja was denn sonst!? Das ist doch genau der Raum um den hier gerade gekämpft wird. DIE usurpieren Technologie, indem sie das emanzipatorische Potential kastrieren weil sie darin nur die Möglichkeit sehen die Idee des Panoptikums im schlimmsten Benthamschen Sinne zu errichten. Auch bekannt unter „Dystopie“.

Aus derartigen fehlschlüssigen, scheinbar kritischen Generalvorwürfen gegen technologiegestützte Zukunftsszenarien lese ich eine kurzschlüssige Beeindruckung heraus, die sich nur dadurch, das jemand den Hammer für einen Mord benutzt, jedes visionären Potentials für dieses Werkzeug entsagt. Da entsteht dann ein supergefährliches, selbstverursachtes Vakuum das – weil die Utopien fehlen – die Dystopien um so leichter füllen werden.

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Miss the groove and you will bleed!