Kompetenzsimulation und Sykophantentum

Geht mir seit Wochen rund und rund. Betrifft die Kultur oder Unkultur derer, die mit Wissen zu tun haben und nicht in planbaren ökonomischen Verhältnissen abgesichert sind. Was man dort bis in die stilistischen Pirouetten hinein beobachten kann, zeichnet sich für mich als eine ständige 24/7 Simulation von Kompetenz ab, gepaart mit einem strategischen Sykophantentum, das jeden Handwerker Würegreflexe haben lässt.
Bei der sich abzeichnenden gesellschaftlichen und ökonomischen Unsicherheit kann das nur noch mehr werden. In Blogs, in Kommentaren, in Gesprächen, in Meetings – mit dem Ergebnis, das die größten Con-Artists in den letzten Monaten des heiligen römisc.. äh Kapitalismussusses nach oben gespült werden.

Nachtrag: Ich benutze den Begriff Sykophant eher im englischen Sinne: „Im Englischen bedeutet sycophant heute Kriecher, Speichellecker, Schleimer.“

13 Gedanken zu „Kompetenzsimulation und Sykophantentum“

  1. klingt wie eine Stimme aus der Moderne, die die Veränderung und Beschleunigung des Umgangs mit Situationen, Identitäten und Informationen für deren Verfall hält. Dabei könnte eine neue Form der Professionalität auch durch Parameter wie Spontaneität, Konstruktivität / Dekonstruktivität, Interaktivität, Diskursivität (…) definiert werden. Was für einen klassischen Wissensstaubsauger natürlich ein Graus sein muss, aber lediglich eine Veränderung der Werte darstellt.

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    • Quite in the contrary. Die Simulation von Kompetenz und Sykophantentum (ein Pärchen wie Paul und Klärchen) sind old age Verhaltensweisen um in extrem unsicheren, hierarchischen Strukturen an die Fressnäpfe zu kommen. Die Regelbücher dazu heissen zB: Castiglione, Der Hofmann oder Gracian, Handorakel. Die ganzen Moralisten kann man im weitesten auch wohl dazukehren.
      Also im weitesten Sinne höfisches Verhalten reloaded in ökonomisch unsicheren Zeiten. Manchmal ist eine Zigarre nur eine Zigarre.

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  2. „Was man dort bis in die stilistischen Pirouetten hinein beobachten kann, zeichnet sich für mich als eine ständige 24/7 Simulation von Kompetenz ab, gepaart mit einem strategischen Sykophantentum, das jeden Handwerker Würgreflexe haben lässt.“

    Solche omni-kompetenz fingierende Dauererektionen (oft mit der pädgogischen Missions angetreten, die Fiktionalität und Simulativität aller Kompetenz zu enthüllen) sind für die Betroffenen selbst am schmerzhaftesten. Deshalb ist Mitleid eher angebracht als Verachtung (obwohl ich den Würgereiz nur allzu gut kenne.) Für den arbeitslosen Intellektuellen ohne Festanstellung und reglementierte Arbeitszeit wirft der Kampf um Anerkennung keinen Feierabend ab.

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    • Ja, genau. Die Frage ist, wie man dies außerhalb der Wissenschaft handhabt? Das Eingestehen der Unkenntnis über Daten / Informationen entspricht eben nicht dem Paradigma der „Auskunftsfähigkeit“ des teuer bezahlten Experten oder gar Spezialisten. Die in den „Social Networks“ zu findende Lockerheit im Umgang mit eigenen Schwächen ohne Aberkennung von Anerkennung durch die „Community“ muss noch in die Wirtschaft übertragen werden…

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  3. „Man muss die Unsicherheit selbst zum Dreh- und Angelpunkt der Wissenschaft machen. Alles andere wird zum innersystemischen Dauer-Rauschzustand? !“

    „Ja, genau.“

    Sicher? Hoffe, ihr wisst wovon ihr redet, denn ich verlass mich auf euch.

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  4. @ Steffi: Verlassen ist gut. Das bedeutet Vertrauen. Vertrauen reduziert soziale Komplexität. Immer schon. Ein Wissenschaftler der anfängt zu forschen hat ein diffuses Vertrauen darin, dass seine Daten sich zu „aussagefähigen“ Thesen/Befunde verknüpfen lassen.

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  5. „Was man dort bis in die stilistischen Pirouetten hinein beobachten kann, zeichnet sich für mich als eine ständige 24/7 Simulation von Kompetenz ab, gepaart mit einem strategischen Sykophantentum, das jeden Handwerker Würgreflexe haben lässt.“

    In der Medizin hat sich dafür inzwischen der Ausdruck „Kusanowsky-Syndrom“ eingebürgert.

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