Das ist alles ganz schrecklich. Löst eine verzweifelte Gefühlslage in mir aus. Mental hab ich die Kündigung durch. Ich beobachte die Nachrichtenlage zu dem Ereignis bei Tesla gestern und sehe? Nicht viel. iPhone, Spitzer und Vorhautbeschneidungen sind immer noch die Renner, gerade im deutschsprachigen Raum. So fühlt sich das an, wenn Zukunft gestern war, und alle Profis mit ihrer smarten Excel-Grundhaltung aus dem BWL-Seminar den Monstertrain nicht haben kommen sehen, der sie überrollt. Live und in Farbe. Wenigstens jetzt – ca 20h danach – könnte man linken, zeigen, teilen. Stattdessen? Nüscht. Kritteln im Handelsblatt über die mittelfristigen Umsatzprognosen von Tesla.
In Deutschland ist das hier wichtig: Elektroräder auf denen Bossanzugsträger PR-optimiert rumhampeln.
In Kalifornien war gestern das wichtig: Ein t-shirträger der rumstottert.
Ich hab voriges Jahr auf dem MMT27 einen Vortrag über die sogenannte PayPal-Mafia gehalten. Ich vermute das war ein Rätsel für die teutsche Mentalität und ihren Umgang mit Visionen und technologischen Utopien. Für mich wird immer klarer, das der Umgang mit diesen Utopien auch mit der eigenen Fähigkeit zu tun hat, mit extremen Zukünften, gar kosmologischen Horizonten umzugehen. Nur mit derartigen riesigen Rahmen ist man in Lage quasi aus der Zukunft die Gegenwart zu beurteilen. Aus der Vergangenheit die Zukunft beurteilen zu wollen – Trenddenken, forecasting – ist unter den heutigen Bedingungen hoffnungslos im Hintertreffen.
Ich finde immer noch die Bemerkung einer Medienmanagementstudentin zu meinem letzten Vortrag an der MDH programmatisch für die momentane Situation in allen Belangen der Zukunft: „Ich find das ja interessant, aber wenig praxisorientiert!“
Ich habe Schmerzen, große Schmerzen. Wirklich.
Wie schon ein legendärer bajuwarischer Grantler mal sagte: Früher war alles besser – sogar die Zukunft.
Der kosmologische Horizont endet für manchen wahrscheinlich am 21.12. mit dem großen Zyklus des Maya-Kalenders. Aber Scherz beiseite, an Zukunftsthemen herrscht doch absolut kein Mangel in der deutschen Mediensuppe. Nur mal paar Beispiele: Der der Euro bricht über kurz lang zusammen, das Klima wird uns grillen, wir werden im Alter am Hungertuch nagen, Deutschland stirbt aus… 😉
Das ist die obszöne Provokation, die in solchen Leuten wie Musk zu tage tritt: Eine Zukunft haben, oder nicht haben ist zu Teilen auch eine Entscheidung des Charakters. Die Grantler entscheiden sich gegen jede Form von Zukunft, begründen das, wenn leidlich belesen auch noch und demonstrieren letztlich auch nur, das es so ist wie man will. Wenn man will, baut man eben Raketen (multi-planetary species) oder Elektroautos (Klima, Energie, etc), wenn man will löst man also Probleme. Wer das nicht will, will halt im Weg stehen und granteln oder über Vorhäute per iPhone spitzern.
Ich beginne tatsächlich langsam diese brutale Unkultur der diskursbeherrschenden, utopielosen, zukunftslosen Kältetodkäfer zu verabscheuen.
Ohne den Einzelnen jetzt aus seiner Verantwortung für seine Denk- und letztlich Charakter-Entscheidungen zu entlassen, halte ich es für zu kurz gesprungen, in der Kritik der bestehenden Verhältnisse die Systemfrage auszublenden, die funktionalen Zusamenhänge nicht zu benennen. Irgendjemandem muss es doch nützen, die Leute in dieser Schockstarre ruhigzustellen.
Klar. Deswegen meine ich ja das gewisse Probleme der Nichtlösung bedürfen. Nicht gelöste Probleme lassen Protest zu, Protest lässt die Herausbildung von Identität, mitunter Kultur oder Subkultur zu. Im ökonmischen Bereich lässt die Nichtlösung die Betreibung etlicher Geldmaschinen zu. Ach menno,…
Risikoaversion kann auch volkstypisch sein, möglich. Risikoavers ist aber besonders das Geld, weil es immer nur einmal verbrannt werden kann (Ausnahme: Banken).
Peter Thiel hat außerdem neulich mal darauf hingewiesen, dass das Geld momentan dorthn strebt, wo es unternehmerisch die geringsten Widerstände gibt. „Das Netz“ ist da ein beliebter Magnetpunkt für Risikokapital, große technische Realprojekte sind es weniger, aus vielerlei Gründen, mit Ausnahme der Länder, wo das Kapital im Überfluss vorhanden ist (Ölländer).
Der Propfen könnte aber bald in den USA wieder von der Flasche fliegen, und zwar weil dort die Energiepreise sinken und im weltweiten Vergleich immer noch sehr niedrig sind. Billige Energie, Strom für nichts – das wären die Zukunftsauslöser, die eine gigantische Innovationswelle auslösen könnten. Im übrigen darf man nicht übersehen, was die Gesellschaft so schreckhaft gemacht hat. Erstens gibt es in den industrialisierten Ländern kaum noch wirklich dringende Probleme außer der Einkommenssicherung/-verteilung und ein paar kleineren Verbesserungen, zweitens ist die Energieproduktion überall mit Risiken und Nachteilen behaftet. Problem Nr. 1 dieses Jahrhunderts ist Nachhaltigkeit/maximal effizienter Umgang mit Ressourcen. Alles, was dazu etwas beiträgt, wird nicht aufzuhalten sein. Auch nicht von der Benzinmotoren- und Öl-Industrie. Der entscheidende Revolutionär wird aus der Energie-Ecke kommen. An der Enerige-Utopie (nachhaltiger Strom für 1 Cent kW) hängt praktisch alles. Von der Landwirtschaft bis zu Recycing-Prozessen, von Verkehr bis zu Häusern und sämtlichen anderen Innovationen, die heute nicht denkbar sind, weil der Energie-Input zu hoch ist.
Da ist auch was im Anmarsch. Dauert noch ein paar Jahre, aber dann, aber dann … Disruption. Alles poltert durcheinander und springt nach vorne wie noch nie. (That’s my Utopia). Bis dahin ist Tee trinken angesagt.
Hach – intelligente und sachkundige Kommentare in einem altmodischen Blog 😉 Auch sone
UtopieRealität.Deine Skizze ist plausibel und alles und so. Unterstützt auch noch meine Verblüffung der weitestgehenden Nichtwahrnehmung des Angebots von Tesla: Auto vorausgesetzt umsonst „tanken“. Da klafft in der Wahrnehmung einer Problemlösung in der Öffentlichkeit etwas auseinander. Aber vielleicht soll das ja so sein, siehe meine Bemerkung zum Kommentar von Mark.
Übrigens gute Aufklamüserung von Mark Lambertz gestern zu Tesla: Beim Kauf eines Audi erhalten Sie lebenslang, weltweit, kostenlos Benzin!