Rekursive Spiele in der Aufmerksamkeitsökonomie

Keine Lust diese Gedanken in ein homogenes Paket zu schnüren. Unter anderm ausgelöst durch den ein oder anderen Biergedanken beim Aftertrunk am Mittwoch mit Rainer Wasserfuhr und Mario Sixtus und diesem erschütternden Tondokument. In der Aufmerksamkeitsökonomie stehen wir der höfischen Gesellschaft viel näher als uns lieb sein sollte. Deren Menchanismen haben schon damals eine gewisse Charakterdisposition begünstigt. Unbegriffener Fetzen an der Schmitz-Katz-Theke: Es geht um Macht.

Das instinktsichere Sich-durchsetzen (keine Namen oder Links) in einer Aufmerksamkeitsökonomie. Kanalbesitzer, Claimer, Kanaldefinierer.

Sollte Relevanz vielleicht seit je immer nur hergestellt werden können und man kann bloss eine Entscheidung treffen zwischen nie relevant zu sein oder Relevanz durchzusetzen?

Personenkult, oder wie Goldhaber definierte: entweder Du bist Fan oder Star in einer Aufmerksamkeitsökonomie.

Die Illusion einer rationalen Gesellschaft in einer Aufmerksamkeitsökonomie mit begrenztem persönlichem Zeitbudget ist eben das: Illusion. Habermas ist auf eine raffinierte, und gleichzeitig traurige Art Ideologie.

Auch ein Argument für mehr künstliche Intelligenz: Begrenzte Zeit. Anders: Künstliche Intelligenz ist der Feind jeder höfischen, säugetierischen Tendenz in einer Gesellschaft.

Es gibt immer irgendwo richtige, tiefe Erkenntnisse. Sie sind latent in unsere Existenz eingewoben. Welche Erkenntnisse sich jedoch durchsetzen, sozial richtungsweisend werden, hängt von Faktoren ab, die nichts mit den rationalen Qualitäten des erkennenden Individuums zu tun haben. Das Individuum als konstituierender Faktor der aufgeklärten, sekularisierten Gesellschaft wird überschätzt (siehe Econophysics). Der wahre Feind ist der Zufall.

Jede Gesellschaft als Ganzes braucht Zeit um ihre Werke zu sichten und ihren Kanon zu errichten. Diese Zeit ist verschwunden. Geschmolzen. Der Bot kommt. Schnell, schnell.

Die gleichen Spiele des „durchsetzens“ nur mit anderen Mitteln. Aus dem Underground wird Mainstream. Das kann er nur werden wenn die Inhalte auch mehrheitllich verstanden werden können: Massenprodukt Klopapier. Der Niedergang des Begriffs Geek.

Der Traum einer rationaleren Gesellschaft wird weiter geträumt. Die Blogossphäre, das Netz steht dem Modell der höfischen Gesellschaft jedoch näher als offen diskutiert werden darf.

5 Gedanken zu „Rekursive Spiele in der Aufmerksamkeitsökonomie“

  1. Darf ich mal den Common-Sense verletzten?
    Das is doch teilweise zimlich gequirlt 😉

    Blogs sind ein bisschen Anarchie. Es gibt halt ein paar Ecken. Da siten die Leute rum die reflektieren und nachdenken, woanders sitzen Katzencontent generierende Mädels und wieder woanders noch ganz andere.
    Irgendwo trifft man sich dann beim Spreeblick, beim Rebellenmarkt und was es sonst noch für ‚Grossplattformen‘ gibt. Öfters sind das die Blogs, über die man irgendwie zum bloggen gekommen ist.
    Weil man sich trifft und sich austauscht führt das dazu, das die Leute in der Katzencontentecke auf einmal auch was von anderen mitkriegen und die Reflektierenden anfangen über den Sinn von Katzencontent zu reflektieren.

    Der Aufmerksamkeitsökonom ist der den klein Bloggersdorf gern links liegen lässt. Linksäue, die immer nur zu den Top10 bei Technorati was sagen wollen, sowie semiprofessionelle Provokateure.
    Ein guter Blogger wird man glaube ich erst dann, wenn man anfängt sich klarzumachen, das es ein Fehler ist Blogs kapitalistisch bzw. ökonomisch zu sehen. Das was da wächst ist eher biologisch und es macht Sinn, das da jede Menge Katzenkontent drin ist. Genau wie Parks, kein kapitalistischer Nutzen, aber dennoch irgendwie gut ab und an mal welche zu haben.

    Über den Niedergang von Begriffen kann ich nur schmunzeln 😉 Wie will man denn auch auf Dauer in einer Anarchie irgendwelche Unterscheidungskriterien aufrechterhalten, die manche sich antackern dürfen und andere nicht? Meinetwegen kann jeder jeden einen Geek nennen, aber was zählt sind doch echte Eindrücke und nicht irgendwelche Plaketten die von jedem überall drangeklebt werden können. Wer damit verschwenderisch umgeht, dem glaubt man nicht mehr. Is eigentlich fast wie mit dem Begriff ‚Hacker‘ der wurde auch lange intensiv, ausgibig und unverantwortungsvoll gebraucht.
    Um es auf einen Punkt zu bringen: Der Geek stört sich nicht um die ganzen Nerds, die sich auch Geek nennen.

  2. Klar war das gequirlt. Hab ich einführend betont: Verschiedene assoziative Stränge, die ich keine Lust hatte auf einen Nenner zu bringen. Es ging mir auch nicht nur um Blogs. Sondern eben um die Mechanismen der Aufmerksamkeitsökonomie, die AUCH für Blogs gelten. Und da sehe ich keine Anarchie, sondern Gesetzmässigkeiten, die beim derzeitigen Stand der menschlichen Natur und ihres begrenzten Aufmerksamkeitsbudgets nicht überwunden werden können. Medienleute, Marketingesen und der narzisstische Charakter im allgemeinen wissen das und stellen Relevanz her. Technisch (siehe Beispiel BMW) oder mit den alten Mitteln der Verführung, Manipulation oder Ellenbogen. Es ist kein rationaler Prozess der da stattfindet, aber auch kein anarchischer. Allenfalls ein statistischer mit einer Konstante: Aufmerksamkeit < 24 Stunden und selbstverstärkenden Regelkreisen, auch bekannt unter Echochamber. Das wissen einige Protagonisten sehr instinktsicher umzusetzen.

  3. 1. Zustimmung. Punkt.

    2. Habermas hat noch nie irgendwas verstanden. (Also genauso wie die Masse) === Relevanz.

    3. Denn: Information, um eine solche zu sein, muss anschlussfähig sein. Und sonst nix. (ich empfehle Luhmann zu dem Thema (den Habermas auch nie verstanden hat))

  4. @1 Mist, wat nu? 😉 – Castiglione wieder ausgraben? Zuflucht bei Gracian suchen?
    @2 Theorien mittlerer Reichweite können brilliante Rohrkrepierer sein.
    @3 Soziologisch mag das fein schmecken, aber was wenn man sich aus diesem Schleim löst und es mal mit informationsphysikalischen (Tom Stonier zB) Definitionen versucht? – Luhmann, klar. Verdorri.

  5. @’derzeitigen Stand der menschlichen Natur und ihres begrenzten Aufmerksamkeitsbudgets‘.
    Begrenztes Aufmerksamkeitsbudgets, hab ich kein Problem mit. Aber ‚derzeitiger Stand der menschlichen Natur‘ ist kein Fixpunkt. Das ist ein Eindruck von Dir. Es gibt Menschen die weiter sind und Menschen die noch ganz weit hinten sind. Dummerweise liegt es in der Natur von Politik und Wirtschaft, das genau diejenigen nach oben kommen, die am weitesten erntfernt davon sind Verantwortung zu übernehmen und so zu handeln.

    @’Allenfalls ein statistischer mit einer Konstante: Aufmerksamkeit < 24 Stunden'. So pauschal auf keinen Fall. Auf manche Dinge lenke ich meine Aufmerksamkeit nur für Sekundenbruchteile und manche nehme ich Monate bis Jahre später immer noch war. Und das gilt auch für die anderen Menschen. Auch wenn die Medien wirklich alles dransetzen eben diese kurze Aufmerksamkeitsspanne zu erzeugen. Aber es ist absolut keine Konstante, sondern ein gewolltes Konstrukt. @'Das wissen einige Protagonisten sehr instinktsicher umzusetzen'. Also ich sehe da weniger Aktion als Reaktion. Sprich man sieht sich einer Bedrohung ausgesetzt und reagiert. Wenn man Glück hat richtig, wenn man das System nicht durchschaut hat ist und bleibt es aber immer ein Glücksspiel. Das System zu durchschauen würde aber heissen über sich selbst ehrlich reflektieren zu können. Das fällt aber den meisten Unternehmen wirklich schwer. Nicht nur weil meist schon gefälschte Informationen 'oben' ankommen, sondern auch weil die ganze Zeit mit diesen unheimlichen Aufmerksamkeitsdefizit gehandelt wird. Ein Unternehmen hat den Zwang gut dazustehen und unterscheidet sich als 'Gruppenperson' da nicht sehr stark vom Halbstarken mit Geltungsbedürfniss und dem genannten Aufmerksamkeitsdefizit. Klar kriegen auch solche Leute es hin Ihre Fassade längere Zeit aufrechtzuhalten. Aber meistens ist das ein Krampf, der im Nachhinein sehr unnötig ist. Deswegen komme ich auf Anarchie, denn auf dem Schulhof auf dem die Gruppenpersonen Politiker und Unternehmen mittels Klatsch und Tratsch um die eingebildete 'öffentliche Meinung' buhlen, herrscht auch eine Anarchie. Bis der Lehrer kommt, der hier manchmal den Kreis durchbrechen kann. Aber auf dem 'großen Schulhof' gibts, wie in manchen Hauptschulen, schon lange keinen Lehrer mehr der sich irgendwie durchsetzen kann. Und so machen die Schüler die Regeln.

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