Leon Fleischmann, Glenn Gould, Walter Gieseking, Hermann Neuhaus – die Liste legendärer Pianisten ist schier endlos, die in verbürgten Zeugnissen den Stellenwert des mentalen Übens nicht müde wurden herauszustellen. In neuerer Zeit wird immer wieder die Pianistin Helene Grimaud dazu befragt und sie gibt auch bereitwillig Auskunft. Hier eine Stelle aus einem Interview aus dem Jahre 1999, in dem sie explizit beschreibt wie sie über die Zusammenhänge zwischen Vorstellung und Ausführung gestolpert ist:

Wie haben Sie das gelernt?
Ich mußte für die Aufnahmeprüfung zur letzten Stufe des Studiums am Pariser Conservatoire ein zeitgenössisches Stück lernen, das mich überhaupt nicht interessierte. Am Tag vor der Prüfung wußte ich noch nicht einmal die Noten. Nachdem ich drei Stunden vergeblich daran geübt hatte, versuchte ich etwas Neues. Ich machte das Licht aus, setzte mich aufs Bett und ging den Anfang in Gedanken durch. Wenn ich an einen Punkt kam, wo ich nicht weiterwußte, machte ich das Licht an, schaute mir die Stelle gründlich in den Noten an und spielte sie einige Male, um das physische Gefühl für die Stelle zu bekommen. Dann machte ich das Licht wieder aus und fing von vorne an. Nach fünf Stunden konnte ich das Stück besser als alles andere in meinem Programm. Diese Entdeckung war sehr zentral für mich, und ich entwickelte sie weiter.

Das diese unglaublich wertvolle Fähigkeit natürlich mit anstrengender, geistiger Arbeit verbunden ist, ist klar. Die vertiefte Freude am Üben und wesentlich musikalischere Darbietung selbst des ausgelutschtesten Blueslicks danken es einem jedoch.

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