Kategorie: Workshop
Robert Schumann und die innere Vorstellung
Ach, eigentlich liegt alles seit Jahrhunderten auf der Strasse. Man braucht die angerosteten Fundstücke nur aufmerksam zusammensetzen und sich danach richten, dann versaut man sich das Gehirn langfristig im positiven Sinne. Hier nur einmal als Beispiel die musikalischen Haus- und Lebensregeln Robert Schumanns aus dem Jahre 1850:
Nicht allein mit den Fingern mußt du deine Stückchen können, du mußt sie dir auch ohne Clavier vorträllern können. Schärfe deine Einbildungskraft so, daß du nicht allein die Melodie einer Composition, sondern auch die dazu gehörige Harmonie im Gedächtnis festzuhalten vermagst.
Oder:
Du mußt es so weit bringen, daß du eine Musik auf dem Papier verstehst
Desweiteren:
Legt dir Jemand eine Composition zum erstenmal vor, daß du sie spielen sollst, so überlies sie erst.
Man kann dem Rat eines Komponisten vom Range Schumanns nur folgen und die Imaginationsfähigkeit in musikalischen Dingen trainieren, statt lediglich mechanisch, protestantisch und gar fleissig die Finger zu quälen.
Auch die weiteren 2 Dutzend Maximen gelten immer noch. Ein zur Wiedervorlage immer wieder empfohlener Schatz der Musikgeschichte.
Helene Grimaud und mentales Üben
Leon Fleischmann, Glenn Gould, Walter Gieseking, Hermann Neuhaus – die Liste legendärer Pianisten ist schier endlos, die in verbürgten Zeugnissen den Stellenwert des mentalen Übens nicht müde wurden herauszustellen. In neuerer Zeit wird immer wieder die Pianistin Helene Grimaud dazu befragt und sie gibt auch bereitwillig Auskunft. Hier eine Stelle aus einem Interview aus dem Jahre 1999, in dem sie explizit beschreibt wie sie über die Zusammenhänge zwischen Vorstellung und Ausführung gestolpert ist:
Wie haben Sie das gelernt?
Ich mußte für die Aufnahmeprüfung zur letzten Stufe des Studiums am Pariser Conservatoire ein zeitgenössisches Stück lernen, das mich überhaupt nicht interessierte. Am Tag vor der Prüfung wußte ich noch nicht einmal die Noten. Nachdem ich drei Stunden vergeblich daran geübt hatte, versuchte ich etwas Neues. Ich machte das Licht aus, setzte mich aufs Bett und ging den Anfang in Gedanken durch. Wenn ich an einen Punkt kam, wo ich nicht weiterwußte, machte ich das Licht an, schaute mir die Stelle gründlich in den Noten an und spielte sie einige Male, um das physische Gefühl für die Stelle zu bekommen. Dann machte ich das Licht wieder aus und fing von vorne an. Nach fünf Stunden konnte ich das Stück besser als alles andere in meinem Programm. Diese Entdeckung war sehr zentral für mich, und ich entwickelte sie weiter.Das diese unglaublich wertvolle Fähigkeit natürlich mit anstrengender, geistiger Arbeit verbunden ist, ist klar. Die vertiefte Freude am Üben und wesentlich musikalischere Darbietung selbst des ausgelutschtesten Blueslicks danken es einem jedoch.
Übemethodik – Bach und ZZ Top
Vor klafünf Jahren habe ich mal die folgenden beiden Grafiken angefertigt um zu visualisieren, was in einer kleinen Übesessesion vor sich geht. Angeregt wurde diese Darstellung durch das phantastische Buch Pracitcing Perfection von Chaffin/Imreh/Crawford, in dem sie die Ergebnisse der Protokollierung der Übesitzungen von Gabriela Imreh darstellen. Gutes Üben muss man lernen wobei gerade das, was ich versucht habe mit den weissen Balken darzustellen von großem Wert ist. Was macht man da gerade im Kopf? Kann man sich vorstellen, was man zuvor gespielt hat? Wo sind die Vorstellungslücken? Diese Selbstkontrolle und – beobachtung der wesentlichen Sinneskanäle führt in einen Flow, der einen in einen konzentrierten, fast meditativen Zustand saugt. Wer nur übt weil der Lehrer es empfahl verrichtet sinnlose Schwerstarbeit.
Imaginiert oder real erfahren
Alle 5 Sinnesdomainen können real erfahren oder imagiert werden. Können? Kannst Du wirklich? Wie klar ist die Vorstellung? Wie lang bleibt sie im Gedächtnis?
In den nächsten Tagen werde ich alle möglichen Kombinationen, die jeder als eine bestimmte Fähigkeit, Anforderung oder Kontext kennt einmal durchsprechen. Einer muss es ja tun 😉