Kategorie: Üben

  • Leon Fleischer – Ohne Vorhören ist alles ein Unfall

    Leon Fleischer – Ohne Vorhören ist alles ein Unfall

    Das was Leon Fleischer da sagt, sollte für jedes anspruchsvolle Üben und erst recht für die Aufführung gelten. Ich weiss, hoher Anspruch, und in weiten Teilen erfordert das natürlich eine andere Art des Übens. Ein üben, das so weit wie möglich mit der Vorstellungskraft arbeitet. Die Grenzen der Vorstellungskraft sind die Grenzen der eigenen Musikalität. Das ist der Maßstab, an dem ich in meinen Workshops scheitern möchte 😉

    I think technique is the ability to produce what you want. The presupposition is that you want something. So before going to the piano and practicing, training the muscles which is a waste of time because its not in the muscles its in the brain its in the inner ear. You have to hear – Schnabel used to say it all the time – you have to hear before you play. If you play before you hear what you going for its an accident and everything is build then on an accident. So want something, hear it, go for and experiment, do outrages things. When you are in the privacy of your studio – what a luxury! No metronome please, nothing. You can try whatever yo want. So experiment, experiment.

    Meine Übersetzung:

    Ich denke Technik ist die Fähigkeit, das auszuführen was man will. Die Voraussetzung ist das man etwas will. Wenn man also zum Piano geht und übt, ist das Training der Muskulatur eine Zeitverschwendung weil es natürlich nicht in den Muskeln ist, sondern im Hirn, in der Tonvorstellung. Man muss es hören – Schnabel sagte das immer – man muss es hören, bevor man es spielt. Wenn man spielt, bevor man hört was man anstrebt, ist alles ein Unfall und alles weitere ist auf einem Unfall aufgebaut. Habe also eine Vorstellung, höre es, strebe das an und experimentiere, versuche unglaubliche Sachen. Wenn Du in der Zurückgezogenheit des Proberaums bist – welch ein Luxus! Kein Metronom bitte, nichts. Du kannst ausprobieren was Du willst. Experimentiere also, experimentiere.

    Lennie Tristano hat in den 60igern etwas ähnliches zu Technik und Imagination gesagt. Stilübergreifend kommen Spitzenmusiker zu ähnlichen Aussagen.

  • Geschwindigkeit und Lautstärke

    Sollte ich je in einer halben Stunde jemandem etwas auf den Weg geben müssen mit maximalen Folgen für die weitere Entwicklung dann wären es nur zwei Themen: Laustärke/Dynamik und Puls. Zum Puls vielleicht später mal was. Im übrigen gelten diese Übungen für alle Instrumente. Auch Triangel, Schlagzeug und Zinken.

    Zur Lautsärke soviel: Ohne die vollkommene, feinmotorische Beherrschung von Laustärke ist keine willentliche Phrasierung möglich. Das tollste Lick wird dann durch einen rostigen Nagel, bzw einen unwillentlich zu leisen oder zu lauten Ton zerschossen.

    Vor Jahren habe ich dazu mal ein Blatt gebastelt auf dem die vier möglichen Kombinationen von Lautstärke und Tempo dargestellt sind. Einfach mal ein paar Jahre üben. Vielleicht (!) hilfts ja.
    geschwindigkeit-lautstärke-op-600
    Da könnte man noch Romane drüber schreiben. Vielleicht später.

  • Zur Phänomenologie langjährigen Übens

    Etwas langjährig zu üben, mit mitunter wenig Veränderung über längere Zeiträume, braucht einen Focus auf etwas, das man am Anfang der Übung noch gar nicht kennen kann. Nach langen Zeiträumen täglicher Wiederholung taucht etwas auf, das man am Anfang der Übung noch gar nicht hätte beschreiben können. Der Focus dieses Übens muss also auf etwas gerichtet sein, das man selbst noch gar nicht kennt, gar nicht beschreiben könnte. Wenn es auftaucht, ist sofort klar das dies eine neue Entwicklungsrichtung ist, die in den Focus der Aufmerksamkeit gerückt werden muss, um eine Verbesserung, Vertiefung, zu erreichen. Nur wie gesagt, am Anfang steht höchstens die Hoffnung oder der Hinweis des Lehrers „Mach das mal 11 Jahre!“. Dabei „kann“ man das doch schon nach ein paar Tagen, also, was will der Typ, ich bin doch toll.

    Wachstumsmetaphern helfen da auch nicht weiter, weil das, was irgendwann durch Emergenz auftaucht keine schrittweise Verbesserung ist, sondern eine neue Qualität. Einfaches Können ist erst der Anfang einer jahrelangen Reise, an deren Ende – das wiederum der Anfang … – etwas steht, auf Grund dessen man nicht aufbrechen konnte. Faszinierend.

    “I fear not the man who has practiced 10,000 kicks, but I fear the man who has practiced one kick 10,000 times”

    Bruce Lee

  • Al Di Meola erklärt Timing

    Ich wollte schon lange auf dieses kurze, aber sehr lehrreiche Video hinweisen. Eine der häufigsten, wenn nicht die Fehlerquelle überhaupt, warum etwas nicht klingt, liegt in einem nicht vorhandenen Puls. Was keinen Puls hat, ist tot. Man kann kein Timing haben, wenn man keinen Puls spürt. Man kann rhythmische Unterteilungen (Achtel, Triolen, Sechszehntel) nicht genau spielen, wenn kein Puls da ist, von dem man diese ableiten könnte. Also, was macht man? Al Di Meola empfiehlt: Jahrelang mit dem Fuss klopfen und sich für kleinste Schwankungen sensibilisieren und versuchen irgendetwas zu spielen oder zu machen, das quer zu diesem Puls läuft. Die erste Zeit kann dabei der Fuss arg ins Wackeln geraten, das wird aber mit der Zeit besser. Wenn dann irgendwann der Puls fühlbar durchläuft, kann man auch beginnen Pausen zu machen, nichts zu spielen. Wer keinen Puls hat, rettet sich ja meist, indem er oder sie immer durchspielt, ob es Sinn macht oder nicht (meist nicht). Puls und Spielen sind zweierlei. Bis das da ist kann es aber etwas dauern. Selbst Al Di Meola spricht hier von Jahren. Zum Glück kann man das auch ohne Instrument überall üben.

    So, und hier nun das Video. Nicht einmal anschauen, sondern mehrfach! Häff Fann!

  • Üben ohne Band

    Heute erhielt ich die Mail eines E-Gitarristen, der nach über einem Jahr fleissigen Übens endlich mal mit jemandem zusammenspielen will. Was kann man da machen? Zumal wenn man nicht mehr 16 ist, und die Garderobe nicht unbedingt schweres Leder hergibt. Natürlich gibt es hier in Düsseldorf auf der Ronsdorferstrasse oder im Schlachthof die ein oder andere Session oder die Montagssession für Jazzanhänger im Modigliani. Aber darüber hinaus? So, das war die magere schlechte Nachricht. Die gute ist, dass das schon immer ein weltweites Problem war und sich schon vor langer Zeit jemand gefunden hat der sich dem angenommen hat. Die Lösung heisst Band in a Box, ist seit fast 10 Jahren in jedem größeren Musikgeschäft erhältlich und hat gegenüber anderen, ähnlichen Programmen den Vorteil das im Internet weit über 10 000 Songs umsonst erhältlich sind. Die Bedienung ist einfacher als eine durchsoffene Nacht in einem Proberaum samt Folgeschäden und dem Schlagzeuger kann man einfach mit einem Klick das Maul verbieten. Bei regelmässiger Anwendung stellen sich dann auch hörbare Erfolge ein, die sich eventuell rumsprechen und schon hat man ein paar biologische Leute zusammen mit denen man dann doch wieder in so einem Proberaum landet.