Weitermachen

Das ist eine der negativen Begleiterscheinungen der Marktkriege um unsere Kommunikationskotzbröckchen: Gespräche werden in dieser historisch-technologischen Phase zersplittert. Aber das ist keine Folge dieses Internets, sondern des kommerziellen Kampfes um noch den kleinsten Splitter auf Facebook, Google Plus, Twitter oder sonstwo.

Chr. Kappes hat wie ein Rohr im Wind sensibel auf meine gestrige Anregung reagiert. Ich hab den Text als kongenialen Anschluß empfunden: Mehr Impro. Mission accomplished. Ob es nun im Detail Makelpunkte gibt oder nicht: Das ist Job von Kusy, der muss immer richtig liegen, weil er an einem anderen (meines Erachtens überkommenen) Gestus feilt. 😉

Es gab ja in den 70igern oder 80igern so Schreibbewegungen: schreib dich frei mit ohne Töpfern. Vielleicht ist es jetzt auch so: Welche stilistische Lage brauchen wir um die explodierende Kontingenz zu reduzieren? Da hilft meines Erachtens in der Phase der Suche – in der wir alle Stecken – nur diese pre-adaptive, chaotische Haltung, in dem Schreib- und Autorenhaltungen permutiert werden. Mehr Kerouac, mehr Burroughs, mehr Versuch. Die Schmerzen, die aus der krampfhaften, nicht passenden Reduktion auf die alten Medienmodelle resultieren, sind Indikator und Sensor. Schuhe, die nicht mehr passen. Leider spricht der Schuster eine Sprache, die wir nur radebrechend im Vollzug lernen können. 

„Ich beobachte bei mir, wie es sich auch in die analoge Kommunikation frisst.“ Kann ich definitiv aus meinem analogen Labor genau so bestätigen. Ist seit längerer Zeit meine persönliche Defintion von „cloud“. Ich schleppe Threads, Stream, Topics, mit in den Meatspace, es fliesst über, führt zu Schweigen, weil ich gerade 7 mentale Tabs auf habe, die meine Scarcity Gegenübers sehen müssten, damit wir einen optimaleren Anschluss hätten. Momente des sich nicht verständlich machen könnens, weil diese verdammte Augmented Reality NOCH nicht da ist. Nur noch thematisierbar auf einer Metaebene.

Und wenn Bruno Jennrich meint: Das nervt ihn, weil der Autor sich um den Leser bemühen muss – verständlich sein und so -: fuck it! Der Autor sterbselt nicht nur rum weil sich die Formen ändern, sondern auch weil die Öffentlichkeit sich ändert. Es geht nicht mehr um massenmediale Maximierung, die sich in harter Formulierarbeit des Autörchens äussert, weil jeder „Autor“ in Zukunft ein Publikum haben wird, das weit unterhalb Dunbars Number liegen wird und das genau seiner Thematik, Stillage und „Verständlichkeit“ entsprechen wird. Jeder Pott wird seinen Deckel finden. Alles nur noch unendliche Gespräche.

Schwung der Figur im wendenden Punkt

Flüssiges zu flüssigem. Teilnehmen in einem Fluss. Keine kanonischen Texte mehr, sondern Teilnahme an einem großen kontingenten Fluss. Darin liegt auch das Unverständnis begründet, das Menschen die nicht aktiv im Netz unterwegs sind, selbigem entgegenbringen. Darum ist Free Jazz für den Zuhörer anstrengender, als für den aktiven Improvisator. Darum sind Denker wie Kusanowsky auch immer noch in einer Geste befangen, die versucht zu argumentieren und kanonische Erkenntnisse zu simulieren. Wir müssen hier – und das hier ist das Überall morgen – neue stilistische Schreibhaltungen erfinden, die diesem 24/7 Fluss mehr entsprechen, als die der Seminaristen, Föjetongisten oder Postdocs. Wer sich mit der Cut-up Technik von Burroughs anfreunden kann, ist der Zukunft des Schreibens und der Kommunikation näher als alle Gralswächter der Theorie je sich wähnten.

So zu tun als ob man ein Medium wäre gibt mir keine Ispiration mehr. Die Figur der Demokratisierung der Medien ist so falsch wie möglich. Die darin begründete Schreibhaltung, die sich ihren Stil sucht ebenfalls. Das imaginierte Publikum behindert unsere Zukunft. Die nächste Gesellschaft ersteht in Sätzen, die zu einem ganz anderen imaginierten Publikum spricht, als das der Abituraufsätze, Features, Bücher und Dissertationen.

Science Fiction ist nicht mehr unsere Zukunft. Die Symbole, die uns bis zur Erregung inspirieren müssen heute, hier erfunden, gefunden werden.

Mehr Impro. Mehr Groove!

Die Erosion der Facebook-Inhalte

Es lag mir seit Tagen in der Timeline und musste heute morgen raus. Wieder kam leider der Gewohnheitsreflex zu Gunsten von Facebook zum Tragen, mit dem Ergebnis das die folgenden Worte zuerst auf Facebook (LIS = lost in silo) erschienen:

Nach der ersten Ausblendwelle vor ca. zwei oder drei Jahren kann ich auf den verbliebenen Timelines in den letzten zwei drei Monaten eine weitere Erosion der Inhalte beobachten. Selbst intellenteste Leute werden scheints in einen Mahlstrom der Bürowitzchen (Stand ca Anfang 2000 als man in Großraumbüros den Emailanhang entdeckte) und Aphorismen hineingezogen. Zumindest aus meinem Wahniversum heraus ist und bleibt Google Reader ungeschlagen. Hier (FB) wird jeder scheints früher oder später mit einem „measured merriment“-Virus infiziert.

In den folgenden Kommentaren habe ich das dann etwas weiter abgeschliffen und ausgeführt.

*Ich meine da einen Gradienten, eine Veränderung zu beobachten in den Schwerpunkten der Links/Likes/Postings/Stati. Ist nur eine subjektive Beobachtung, grad so wie ein Sog hin zu einem Mittelwert, der maximal anschlussfähig ist. So als ob das Konzept der attention economy in den Spontankommunikationsreflexen des letzten Inneletuellen angekommen wäre.

*Muss das nochmal hervorheben: Ich meine eine Veränderung zu beobachten, ich kritisiere keine statische Kommunikationskultur. Mir scheint es (FB) tut etwas mit dem was Leute meinen mitteilen zu müssen. 0-Hypothese sozusagen.

*Wenn es (FB und andere Systeme) gut funktioniert, dann müsste es auch innerhalb dieser Verbreitungsmedien so etwas wie eine Konsenshypnose geben, die zu thematisieren schwierig ist, weil das entweder mit Konflikt verwechselt wird oder zum (konsequenten?) Ausstieg führt. Ich such gerade nach dem experimentellen, begrifflichen Stecken um in dem Ameisenhaufen rumzuporkeln…

Der Spass der sich innerhalb von FB manifestiert ist keine Freude. Spass machen ist eine Routine die nur aus einer Konsenshypnose resultiert. Wenn man sich dieser verweigert – ob in real oder auf FB, Twitter, Googel+ – setzts was.

Thorsten Kogge fügte an: “ FB verführt schon dazu, Dinge mittzuteilen, die anonsten wieder im Nirvana des Kurzzeitgedächtnisses verschwinden; impulsive Zuckungen…“

Was mich zu einer weiteren Präzisierung (?) zwang:

* ‎“FB verführt schon dazu,“ – Das ist eine sozusagen stratifizierende(?) ontologisierende Beobachtung. Impliziert, das man wüsste was FB ist. Die Gesamtheit dessen was man meint das FB wäre, wäre dann die kritikfähige Kommunikationskultur. Das meine ich nicht. Ich weiss nicht was FB oder seine Komm-Kultur IST. Ich vermute wir können nur – wenn wir aufmerksam bleiben/sind – Veränderungen beobachten. Nur Veränderungen sind Unterschiede, die beobachtbar sind. Wie war es vor 6 Monaten? Wie war es vor 3 Jahren? Oder: Wenn FB ein gut fluppendes System ist, dann werden sich Routinen einschleppen („measured merriment“), die die Autopoiese gewährleisten. Alles andere wird nicht anschlussfähig sein. Gilt natürlich ebenso für Google+, Twitter, Pinterest etc.

https://www.facebook.com/siggi.becker/posts/10151075402813324

Neverending Gespräche

Einem Buch, Text, Dokument wohnt stilistisch auch die Unwahrscheinlichkeit der Begegnung inne. Das Entree muss erwärmen, überzeugen. Facebook, ein langjährig geführter Blog oder andere Medien sind unendliche Gespräche, die eigentlich kein Entree weder stilistischer noch designerischer Natur benötigen. Wir werden miteinander weiterreden wider alle Rationalität, wider die verrrutschten Gesten und wider den Geist des Verlustes, der sich im post-xyz manifestiert. Denn im Weitermachen glauben wir an die utopischen Kristalle des Prae. Ich werde euch nicht los, ihr werdet mich nicht los. So sind die Zeiten. Die Noosphäre ist schon längst Alltag.

Dystopien im Kleinen

Durch den Dressurakt der Perpetuierung alter massenmedialer Routinen praktizieren mittlerweile Horden pseudosozial agierender Teilnehmer in diesem Netzdings so eine Art dystopischer Erosion am utopischen Potential dieser Superkiste.

Vorläufige Liste der täglichen, rückwärtsgewandten Reflexe:

  • Eigene Postings liken, plussen.
  • Teasertexte auf reisserischem Bildniveau
  • Terminen zusagen, Hauptsache man ist auf einer Liste
  • Me too Kommentare
  • Eycatchende Fotos aus public domain Quellen mit 2pt-Quellangabe unter eigenem Account veröffentlichen
  • Huch-ich-bin-interviewt worden Tweets
  • x Thesen- oder Manifesto-Postings
  • Bloggen mit Vorankündigung (Morgen schreibe ich dazu was…[Steigerung: …vielleicht])
  1. Die Leute dressieren sich selbst durch zwei einfache Feedback-Regeln: Die Kommunikation darf um keinen – KEINEN – Preis abbrechen und
  2. alles was einer Adresse zugeordnet werden kann, muss maximiert werden, früher auch bekannt unter dem Begriff „Einschaltquote“.

Warnung: Wenn der Hinweis auf ein Symptom als erste Reaktion einen Schwall von tu-quoques hervorbringt, sollte das ein Zeichen dafür sein, das es hier was zu entdecken gibt.

Nachtrag 10 Juli 2012: Fritz Iversens treffende Beobachtunge ergänzen meine https://plus.google.com/108779888428725998710/posts/6mi4EMYCYph