Vergangenheit

Das berühmte Bonmot von Alan Kay: Wer druckt lebt in der Vergangenheit! war wohl dunnemals an die Adresse der „Meier! Drucken Sie mir mal die Zahlen aus!“-Chefs aller Länder gerichtet, ich denke es gilt aber zunehmend weitaus tragischer für alle Gesellschafts- und Geisteswissenschaften.

Kunstpublikumsbeschleunigungsmaßnahme an Calder

Im Herbst wird es im K20 am Grabbeplatz hier in Düsseldorf eine große Calder Werkschau geben. Im Vorlauf dazu hat man sich eine Veranstaltungsreihe einfallen lassen, die thematisch die damalige Avantgarde zu umkreisen versucht und eine Brücke in die Zukunft schlägt.

Den Anfang macht nächste Woche Donnerstag (23.5.2013) ein Abend mit dem Motto „STEP/UP – Bewegung als Ausweg in Kunst und Gesellschaft“ zu dem yours truly neben Prof. Schicha von der MDH einen Kurzvortrag beisteuert. Wahrscheinlich darf ich als Erster den Hannemann-geh-du-voran geben, weil ich gerade in meinen letzten Vorträgen einen Rahmen aufgezogen habe, der so extrem groß ist, daß jeder eine sinnvolle Ecke darin finden kann. Wenn sich beschleunigte Zeiten ja durch eins auszeichnen, dann durch eine Fülle von fesselnden Details, die den Einzelnen hypnotisch das Gesamtbild verschwinden lassen machen. In so einer historischen Situation ist es mitunter gut, sich heftig herauszuzoomen, förmlich vom Detailschlamassel zu dissoziieren, um aus gehörigem Abstand mit genügend Popcorn und Neugier versorgt aus Bekanntem, Unbekanntem und 3 Schnurrhaaren ein unaufgeregtes, aber aufregendes Bild von allem zu machen. Und das alles in sagenhaften 15 Minuten und 4 Sekunden! Unglaublich!

Datum:

Donnerstag, 23.05.2013, 19.00 Uhr
K20 GRABBEPLATZ (Foyer)
Eintritt frei!

STEP/UP – Bewegung als Ausweg in Kunst und Gesellschaft

Calder Ausstellung (Nachtrag 2017: Leider scheint die Kunstsammlung nach einem Redesign alles zum K-Camp gelöscht zu haben. Gründe?)

Details auf Facebook (FB-Seite existiert 2017 noch.)

Google Reader soll zum 1.Juli eingestellt werden

Unglaublich. Meine erste Reaktion: Schock. Ich kann das jemandem, der sich im Jahre 2013 dumpfbackig seine Daily Rotation aus den Bookmarks friemelt garnicht vermitteln, wie sehr ein gut funktionierender Aggregator den Blick auf das Internet verändert. Und das seit mindestens 2003. Und Google Reader IST mein Blick ins Internet. Mehrmals täglich. Macht das Internet ohne RSS-Aggregatoren überhaupt Sinn?

Nun also das. Alles muss sich „monetarisieren“ und dem Werbeetat unterordnen. Was Zensurmaßnahmen nicht schaffen, schaffen Scharen von Controllern, die Zahlen an die Wand klatschen. Und unsereiner lässt sich von gut funktioniernder Technik einlullen bis zur Abhängigkeit und dann: Wamm! Der „User“ muss zersplittert und unorganisiert durch dieses Internet torkeln, muss auf Seiten rumclicken, nur damit man ihm Werbung zeigen kann. Da sind Aggregatoren wie Google Reader das pure Umsatzgift.

Der nächste Schritt wird wohl darin bestehen das alles auf Google+ umgebogen wird. Und obwohl die momentanten Inhalte auf G+ noch erträglich sind, habe ich in den letzten Wochen den offensichtlichen Geschwindigkeitsverlust zwischen Reader und G+ zum Gegenstand meiner Reflexionen werden lassen. Da soll nichts schnell gehen, da soll man sich aufhalten und später Werbung konsumieren. Im Reader ist es kein Problem 800 Feeds zu verfolgen, in G+ sind 200 produktive Leute schon unübersichtlich und uneffektiv. Zeitgenossen, die da mehrere tausend laufen haben kann ich nicht ernst nehmen. Ist genauso bescheuert, wie tausende Freunde auf Facebook. Was man da noch mitbekommt ist purer Zufall. Aber so soll es ja auch vielleicht wieder sein: bloss kein focussiertes, leicht zu handhabendes Informationsmanagement für jeden, sondern einen vom Zufall gebeutelten Werbekonsumenten, der brav eine von Adsense gepflasterte Seite anclickt und mit relligöser Inbrunst die Werbung auswendiglernt.

Ich möchte mich vorm Schlafengehen nicht aufregen, darum ist jetzt Schluss.

Luft schaufeln oder Digital werden

Der Artikel bei Telopolis mag seine Schwächen haben, legt aber den Finger auf eine Wunde die seit Jahrzehnten, nein Jahrhunderten eine schwelende Grundhaltung zwischen Religion und Naturwissenschaften bezeichnet und sich heute bis in den Ort durchzieht, in dem arbeitslose Geisteswissenschaftler ihr Endlager finden: das Feuilleton.

„Doch bis heute ist es dabei geblieben, dass Menschen mit geisteswissenschaftlichem Hintergrund dazu neigen, die KI klein zu reden.“ Das scheint ein mentaler Reflex zu sein. Geisteswissenschaftler nerven und schrauben von Jahr zu Jahr immer hektischer und mit zunehmender Komplexheit an ihren Argumenten, während das historisch erworbene, von der Theologie geerbte Podest unter ihnen Häppchen für Häppchen zerbröselt.

Mit Vogel Strauss ist diese Haltung nur schwach umrissen. Es ist der hegemonische Deutungsanspruch, die, wie im Artikel beschrieben herablassende wieselwendig brilliante, mit Verbalseife eingeschmierte Dominanzhaltung derer, die sich frühzeitig in ihrem Leben für „geisteswissenschaftliche“ Disziplinen entschieden haben, die mit Sicherheit nienienienie ein Problem lösen werden. Erstaunlicherweise rekrutieren Machteliten historisch ihren Nachwuchs ja eher aus den sprachbasierten juristischen Fakultäten, lassen sich von Soziologen beraten und betrachten Naturwissenschaftler in ihren Reihen als Unfall, um dann ihre Stabilitäts- und Shareholderansprüche ans Management durchzureichen. Das ist dann auch die feine, kaum wahrnehmbare Hintergrundstrahlung jeder geistes“wissenschaftlichen“ Disziplin: Stabilität. Wolle die Wandlung (Rilke), hat seit je dort keine Heimat, allenfalls als Lippenbekenntnis zum „Change“. Wandlung wollen ist Evolution oder Revolution.

Dieser Deutungsanspruch in historischer Personalunion mit politischer Macht wurde Ende der 50iger von C. P. Snow mit dem Begriff der zwei Kulturen grob auf den Punkt gebracht.

Wikipedia: „Unter dem Begriff Zwei Kulturen (englisch Two Cultures) wird die ursprünglich durch C. P. Snow 1959 vorgenommene Analyse des Wechselspiels von geisteswissenschaftlich-literarischer Kultur einerseits und naturwissenschaftlich-technischer Kultur andererseits verstanden. Dabei schreibt Snow den Geisteswissenschaftlern eine pessimistische, der Vergangenheit zugewandte und „im tieferen Sinne antiintellektuelle“ Geisteshaltung zu, der eine vorausblickende, optimistische Naturwissenschaft gegenüber stehe. Diese Dichotomie zwischen Naturwissenschaft (Erklären) und Geisteswissenschaft (Verstehen) spielt auch im Methodenstreit eine Rolle. In seinem Werk Die dritte Kultur (1995) verneint John Brockman den Optimismus Snows, dass eine effektive Kommunikation zwischen den beiden Kulturen in Sicht sei.“

Von einer Position der zuendegedachten Natur- und Ingenieurswissenschaften rückwärts zu spekulieren und uns im Heute die großen Linien der weiteren Evolution der Menschheit jenseits von Talaren, Ikonen und den je lokalen Worthelden zu skizzieren, wird wohl kaum zu verlangen sein. Das Wesen jeder Kritik besteht schliesslich darin, plausibel zu machen – ich sage bewusst nicht: zu beweisen – warum etwas nicht geht, nicht darin was geht oder gar erstrebenswert wäre auf dem Hintergrund der maximalen, physikalischen Grenzen.

Wir müssen darauf warten, das sich die Geistes“wissenschaften“ wie dieser russische Bolide heute Morgen in der Luft zerlegen werden. Die abstürzenden Brocken werden Schaden anrichten, die Luft wird aber danach klarer sein und die Sterne deutlicher erkennbar.

(Fein, und niemand kann hier kommentieren. Gute Entscheidung)