Post oder Pre

Kleine Spontanimpro über ein Motiv von Saurier Duval.

Wenn ich ein Musikstück einstudiere, bezeichne ich die unfertigen Stadien nicht mit Post-Unfähig, sondern bin immer auf ein Werden hin gerichtet, lebe und arbeite also aus einem Pre-Bewusstsein. Das ist die Freude des Schaffens und macht die gesamte Motivation hin auf ein Ziel aus.

Im Gegensatz dazu schaue man sich die gängigen Bezeichnungen in Philosophie, Soziologie und gesellschaftlichen Diskursen an: Es wimmelt von Post-xyz. Man definiert nicht aus dem Bewusstsein eines hin-zu, sondern aus dem passiv konstatierten Verlust eines affimierten Zustandes.  Sollte unsere  Sprache nur ein bischen daran beteiligt sein, wie wir unsere Welt ent-decken, dann gehört diese Post-Denke zu einem Filter, der das schöpferisch Neue für uns unsichtbar macht. Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang – you choose.

4 Gedanken zu „Post oder Pre“

  1. Luhmann und Spencer-Brown: Treffe zuerst eine Unterscheidung; Becker: Erfahre zunächst Deinen Unterschied und beobachte dann… Also eine Anleitung zur Introspektion, um Zukunft erlebbar zu machen.
    So könnte der Konstruktivismus vielleicht gerettet werden, ohne den immer wiederkehrenden Duktus der Beliebigkeit zu wiederholen? Gefällt mir sehr!

  2. Absolut.

    Interessant, welch feine Stellschräubchen hier am Werke sind; ob manchen Sprachen, Dialekten (…) ein inhärenter evolutionärer Vorteil innewohnt oder ob jede Sprache ihre Zeit hat, in der die sie tragende (oder von ihr getragene) Gruppe maximal beschleunigt wird – wenn denn Sprache diese Kraft hat.

    Und jetzt: Hypertext + Digitalisierung + NBIC + X. Die Zukunft des Lesens – der Literalität – muss multidimensional gedacht werden; die Gesellschaft als Brainstorming.

  3. post~ | prae~ und dazwischen ein „|“.

    Das bist du, der Beobachter.
    Ziele sind austauschbar.
    Vergangenheiten auch.
    Du nicht (bzw. auch, aber anders).

  4. „Sollte unsere Sprache nur ein bischen daran beteiligt sein wie wir unsere Welt ent-decken, dann gehört diese Post-Denke zu einem Filter, der das schöpferisch Neue für uns unsichtbar macht.“

    Die temporale Implikation von „NACH-Denken“ kennt durchaus diesen postalischen Zug des a priori Posterischen (vgl. Derrida La Carte Postale). „Die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug“. Woraus sollte sonst geschöpft werden? Ist das deinem Filter etwa entgangen?

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