Dystopien im Kleinen

Durch den Dressurakt der Perpetuierung alter massenmedialer Routinen praktizieren mittlerweile Horden pseudosozial agierender Teilnehmer in diesem Netzdings so eine Art dystopischer Erosion am utopischen Potential dieser Superkiste.

Vorläufige Liste der täglichen, rückwärtsgewandten Reflexe:

  • Eigene Postings liken, plussen.
  • Teasertexte auf reisserischem Bildniveau
  • Terminen zusagen, Hauptsache man ist auf einer Liste
  • Me too Kommentare
  • Eycatchende Fotos aus public domain Quellen mit 2pt-Quellangabe unter eigenem Account veröffentlichen
  • Huch-ich-bin-interviewt worden Tweets
  • x Thesen- oder Manifesto-Postings
  • Bloggen mit Vorankündigung (Morgen schreibe ich dazu was…[Steigerung: …vielleicht])
  1. Die Leute dressieren sich selbst durch zwei einfache Feedback-Regeln: Die Kommunikation darf um keinen – KEINEN – Preis abbrechen und
  2. alles was einer Adresse zugeordnet werden kann, muss maximiert werden, früher auch bekannt unter dem Begriff „Einschaltquote“.

Warnung: Wenn der Hinweis auf ein Symptom als erste Reaktion einen Schwall von tu-quoques hervorbringt, sollte das ein Zeichen dafür sein, das es hier was zu entdecken gibt.

Nachtrag 10 Juli 2012: Fritz Iversens treffende Beobachtunge ergänzen meine https://plus.google.com/108779888428725998710/posts/6mi4EMYCYph

13 Gedanken zu „Dystopien im Kleinen“

      • Nicht der erste, das schafft man ja ohnehin nicht. Eher: „Ich hätte auch sagen können, was Supergonzo gesagt hat, und deshalb sage ich jetzt, was er gesagt hat.“ (Selbst wenn Sascha Lobo eine unfassbar gute Kolumne geschrieben hat – warum eigentlich teilen, wenn es zuvor schon 89 andere getan haben und die so um die 97 Prozent meiner Kreise ohnehin abdecken? Da bleibt doch eigentlich nur: ein Stück vom Kuchen abhaben wollen, und sei es nur ein Nanokrümchen.)

        • Da sieht man mal wieder, wie alt ihr seid. 😉 Denkt doch mal bitte zurück an Eure Schulzeit (die frühe). Ich krieg es jetzt gerade mit durch meine bessere Hälfte, die kürzlich ihr Referendariat beendet hat. “Ich hätte auch sagen können, was Super[lupo] gesagt hat, und deshalb sage ich jetzt, was er gesagt hat” ist ein soooo klassisches Schul(kinder)-Ding wie nur was. Das ist kein „Dressurakt der Perpetuierung alter massenmedialer Routinen“, das ist einfach nur Kinderkacke. Wenn Du schimpfst, dann bitte darauf, dass es die Gesellschaft nicht mehr schafft, aus uns Erwachsene zu machen (ich schließe mich da gar nicht aus). Die Adoleszens bis ins Rentenalter bringt Vorteile, hieran können wir aber gut auch die Nachteile sehen.

  1. Leute, Leute, ist der Disclämer denn soo undeutlich: „Warnung: Wenn der Hinweis auf ein Symptom als erste Reaktion einen Schwall von tu-quoques hervorbringt, sollte das ein Zeichen dafür sein, das es hier was zu entdecken gibt.“

  2. Dein Beitrag Siggi ist nichts anderes als Verlängerung und Wiederholung dessen, was in diesem Beitrag als Meinung über andere Beiträge festgestellt. Er ist selbst nur ein „Dressurakt der Perpetuierung alter massenmedialer Routinen“, ist nur Fortsetzung eines alt und darum trivial gewordenen Meinungsspiels: sag allen, der ganzen Welt unaufgefordert deine Meinung, es könnte ja sein, dass sie jemanden interessiert. Passiert dies tatsächlich zeigt sich, wie unverzichtbar sie ist, wobei nicht bemerkt, dass die Meinungen aller anderen über deine Meinung das gleiche Kriterium erfüllen: verzichtbar, irreführend, gegenstandslos. Aber so geht es dann weiter. Diese Trivialität konnte zur Zeit der alternativlosen Massenmedien nur schwer erkannt werden, weil alle Versuche durch Avantgardemedien, Fanzines, Undergroundliteratur, Bürgerfunk, offene Kanäle und dergleichen die selben komplexen Anforderungen zu bewältigen hatten, insbesondere die Kalkulation wirtschaftlicher und politischer Risiken. Das alles fällt, seitdem jeder eine html-Seite erstellen kann, weg. Und alles geht so weiter als hätte sich nichts besonderes ereignet. (Was man daran erkennen kann, dass sich die Meinung verbreitet es habe sich etwas besonderes ereignet, worauf schnell wieder mit einer anderen Meinung reagiert wird.) Das gilt auch für die Meinung, man solle doch mal festellen, dass dem nicht so ist. Es ist eben nur eine Meinung.
    Schlussfolgerung: achselzucken und weiter machen mit kritisieren. Die Aufforderdung zum Nachdenken über dieses nullmediale Aufmerksamkeitsgezerre bringt auch nichts, denn sie wird sofort gekontert mit der Frage: worüber nachdenken? Und da eine Antwort ganz schnell formuliert und weltweit verbreitet werden kann, bringt auch das Nachdenken nicht weiter. Der Vorschlag, dass man Lernprozesse beobachten könnte, dass man die medialen Umbauprozesse als Erfahrungsprozesse verstehen könnte, kann auf diese Weise nicht attraktiv gemacht werden. Entsprechend müsste man schweigen und andere Unterschiede einbauen, die nicht so schnell und so einfach bemerkt werden. Statt also allen zu sagen, was alle ohnehin nicht zu Kenntnis nehmen können, könnte man ja mal irgendwelche Merkwürdigkeiten als Normalitäten zu untermischen und schauen, ob das irgend jemand feststellt. Ich habe neulich einen Kommentator gehabt, der pfiffig aufgepasst hat:
    http://differentia.wordpress.com/2012/01/30/verbot-und-erfahrung-argumentation-und-scholastik-systemtheorie-peterfuchs/#comment-2665

    Aber wie gesagt: wer der Meinung ist, dass das auch nicht weiter hilft, muss eben anderer Meinung sein, die auch nicht weiter hilft.

  3. Dieses ganze Rumgenöhle ist doch total überflüssig. Solange man selber in diesem piefigen Aufklärergestus dahinpolemisiert, reitet man das „Dings“ nur tiefer in den Sumpf. Wenn man das so buddha-artig mal auf sich selbst hochrechnet statt auf die Anderen, wäre schon viel gewonnen.

    §45 die trollerkenntnis ist der erste schritt zur besserung. nur das von „besserung“ dann nicht mehr zu sprechen sein wird.— Jacobo Volpino (@JacoboVolpino) Januar 28, 2012

    Bei Klaus wurde das etwas angerissen: Es gibt halt keine Fleisskärtchen für Nichtbemerktes. Und das generalisierte Kommunikationsmedium der Blogosphäre ist vielleicht am ehesten Eitelkeit.

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