Webmontag in Köln, die n-te

Der Hype ist raus, die Teilnehmerzahlen angenehm abgespeckt, und die unheimlich erwachsene Zwischenfrage aus dem Hintergrund, wo denn das Geschäftsmodell wäre, wird erfreulicherweise von vielen Teilnehmern mit einem leichten Lächeln ins Bier begleitet. Was mich im Gespräch erfreute: In den post-Web 2.0 Kreisen existieren Zeitgenossen, denen klar ist das Algorithmen Politik sind. Philipp Lenssen ist das sowieso klar, aber auch Tim Bonnemann scheut sich nicht über Plattformen nachzudenken die politische Argumentations- und Bildungsprozesse verrationalisieren könnten. Gerade im Gespräch mit Tim ist mir wieder einmal deutlicher geworden, das es 2 Utopien gibt, die in Verbindung mit dem Versprechen, das den Internettechnologien innewohnt, zu einem gesellschaftlichen Fortschritt führen könnten: Gerechtere Verteilung von Macht und rationalerer politischer Diskurs. Tim Bonnemann sucht nach Ideen, die den politischen Diskurs mittels Web 2.0 Technologien von den alten säugetierischen Prozessen, die jeder der je mehr als 3 Menschen auf einem Haufen erlebt hat, wegführen können. Ich denke, das ist ein Aspekt – sagen wir die Habermas´sche Seite der Angelegenheit – während Macht die dunkle Seite ist, die sich über derartige Marginalien seit je hinweggesetzt hat. Eine Säule jeder Macht ist manipulierte Aufmerksamkeit, womit wir wieder bei Michael Goldhaber sind. Ich kann es immer noch nicht besser formulieren als vor ein paar Monaten:

Alle mir bekannten Web 2.0 Anwendungen, Blogs oder sonstigen Internetschrebergärten versuchen nicht das Aufmerksamkeitsproblem zu lösen, sondern für sich zu entscheiden.

Wer in Zukunft in der Lage sein wird dieses Problem zu beschreiben und algorithmisch zu lösen (nicht für sich zu entscheiden), wird sich mit Sicherheit den Hass aller Manipulateure dieses bekloppten Planeten zuziehen.

Die Präsentation von Mnemo.org durch Tim Bruysten zeigte volle Web 2.0 Bereitschaft zur Beta: Alpha! Was sich aus der irgendwie ansprechenden Anfangsidee mit der Zeit herausschälen wird, wollen sie selbst nicht festlegen, sondern stürzen sich bewusst in den endlosen, morphenden Tanz mit dem Nutzer.

Obgleich Steffen Mazaneks kurzer Vortrag über die Visualisierung von sozialen Netzwerken im schlichten Folienklatscherformat daherkam, wohnt dem Thema eine beunruhigende Brisanz inne. Über allem schwebt natürlich die unausgesprochene Frage, was denn ein optimales Netzwerk ist. Wieder so eine sozialtechnologische Frage mit Endspielcharakter.

Tja und dann war da noch der indisch aussehende Coder, der mir und Philipp auf dem nächtlichen Spaziergang zur Kathedrale auf dem Kölner Bazaar einen kleinen Einblick in die Geschichte von Open Laszlo und Herrn Canter gab. Es war angemessen, beim Anblick der Kathedrale über die Singularität zu räsonnieren und allen Fragen des Abends mit einer Antwort zu begegnen.

8 Gedanken zu „Webmontag in Köln, die n-te“

  1. Hoffe Du hast den Zug noch bekommen. Ich habe mir die Seite von Michael Goldhaber mal angesehen. Echt interessant! Wie begrenzt unsere Sichtweise (der Nerds und Geeks) ist, dürfte den meisten von uns hoffentlich klar sein. Der nächtliche Spaziergang hat mir ein paar gute Ideen gegeben, war inspirierend. Du liegst übrigens ganz richtig mit „indisch aussehend“…

  2. Das war ein erfolgreicher 50-Metersprint ohne Geschäftsmodell in the heat of the night! 😉

    Tolles Gleichnis: Amritsa im Header! – @indisch: In der Regel vergesse ich nach dem dritten Bier Namen und es müssen gröbere Merkmale her.

    Die Konzepte von Goldhaber bin ich noch am verdauen, möchte aber auf jeden Fall über das hype Gelaber von der Aufmerksamkeitsökonomie hinwegkommen. Das alte Problem: Was es ist weiss nun jeder, was es bedeutet kaum einer…

    Willkommen im Wyrd!

  3. Leider sind durch die hochgefahrenen Spamfilter in den letzten Tagen ca 2 Kommentare im Orkus verschwunden. Also nicht persönlich nehmen wenn hier mal ein Kommentar verschwindet. An mageren Tagen laufen hier 200 – 300 Spamkommentare auf…

  4. Und nimm du es bitte nicht persönlich, dass ich meinen Kommentar
    nun nicht noch einmal schreiben werde. Also hier nur die kurze Richtigstellung,
    dass es in meinem Vortrag NICHT um die Visualisierung oder gar Optimierung
    von Netzwerken ging, sondern im Kern um eine Platform, auf der Leute
    im Web komfortabel ihre Netzwerkumfragen erstellen und durchführen können.

  5. Da kannst Du mal sehen was bei den Leuten ankommt von den guten eigenen Intentionen. 😉
    Da hat wohl der Umfrageteil deiner Präsentation meinen Neugierfilter nicht durchschlagen und ich bin erst bei der Visualisierung wach geworden, wobei, wie ich anmerkte die Frage nach den optimalen Netzwerken zumindest für mich ja unausgeprochen dem Thema innewohnt.

    Den Kommentar musste ich wieder aus dem Rundordner fischen: Eine Blogspotadresse ist mittlerweile für jeden Kommentar tödlich. Das Spamproblem aus der Ecke ist gewaltig und trifft leider auch alle redlichen Blogger…

  6. Also mein Blog hat ja eigtl. kein Problem mit der Aufmerksamkeit… ist das jetzt ein Problem? (Weil ich mich dafür entschieden habe, daß es kein Problem ist… ?)

  7. Oh, Verzeihung, Herr Siggi, ganz ernsthaft. Sehr freundlich von Ihnen, mir erst einmal den Herrn Goldhaber ans Herz zu legen (ich wollte nur mal wieder hallo sagen…). Ich hätte wissen müssen, daß da ein Mehrwert hinter Ihrem Eintrag steckt 😉 (Tolle Artikel, die ich da gefunden habe, bei Telepolis, danke sehr. Witzig, daß die so alt sind – und wir heute immer noch um genau dasselbe Thema kreisen…)

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