Systemfortschritt

Gedankensplittermelange aus Luhmann, Systemtheorie, Spam, Aufmerksamkeitsökonomie. Ein Fortschritt dieses gesellschaftlichen Systems inklusive seines Wurmfortsatzes Internet wird nicht möglich sein, solange die Technologien nur dazu eingesetzt werden das Aufmerksamkeitsproblem für die agierenden Wettbewerber zu entscheiden, nicht gesellschaftlich zu lösen. Wenn die Technologien nur dazu dienen Werkzeuge in einem Nullsummenspiel der Aufmerksamkeit zu sein, ist jeder Teilnehmer – JEDER – immer nur Grade von einem Dasein als Spammer entfernt. Technologische Lösungen die das Aufmerksamkeitsproblem lösen wollen, werden das Individuum und damit die Quelle und ökonomische Grundlage dieser Mechanik eleminieren müssen. Gegewärtig paart sich Narzismus und Technologie noch prächtig.

5 Gedanken zu „Systemfortschritt“

  1. Die Summe der Aufmerksamkeitszeit bleibt natürlich (bei angenommener gleichbleibender Zahl der Rezipienten) dieselbe. 90% davon gucken grad sowieso Fernsehn, also meinst du die 10% Websurfer bzw. die 2 oder 3% Blogleser. Was könnte Technologie daran ändern? Nicht unbedingt eine rhetorische Frage. Eine andere Frage: denkst du nicht dass Kernprobleme, egal von welchem Schreiber geäußert, durch Blogmechanismem sehr viel schneller eskaliert werden können? Man nehme da ein Beispiel aus der Automobilindustrie…

    Und leider fällt mir da immer noch ein das die größten Probleme sowieso bekannt sind, aber weiterbestehen. Nehmen wir mal die Eskalation von fehlenden Massenvernichtungswaffen im Irak, die trotzdem völlig auswirkungsfrei auf die US-Politik geblieben sind. Warum kann man einige Sachen erfolgreich eskalieren, andere nicht, auch bei geballter Aufmerksamkeit auf das Problem?

  2. Ich weiss nicht was Technologie daran ändern könnte. Aber man muss das Problem erstmal anerkennen. Diagnose. Später Therapie. Das es ein Bedürfnis dafür gibt, sieht man ja an so kleinen Lösungen wie Aggregatoren. Das ist zwar unintelligent, linear und einfach nur komprimierend (deprimierend? 😉 ) aber weist darauf hin das da ein Problem besteht. Mit dem Standardeinwand – wie von Herrn Popkulturjunkie am Freitagabend auf dem Bloggerstammtisch vorgebracht – „Ja und? das war doch immer so.“ kann ich mich nicht zufrieden geben. Dann müssten wir immer noch Sklaverei und andere SEuchen akzeptieren…

    @Eskalation: Das ist es ja gerade eben: Macht stützt sich ja gerade auf dieses Attentiondings. Wenn alle Amis nur Fox kucken (ihre Attention also gebunden ist in einem Bushigen Realitätstunnel) dann läuft da nix mit Problemeskalation. Deswegen ja diese erbitterten, auch technologisch geführten Aufmerksamkeitskriege, die sich auf allen Stufen der Fresskette wiederfinden.

    Die unheilige Dreieinigkeit: Macht – Einkommen/Vermögen – Aufmerksamkeit.

  3. Die „Macht“ ist aber im virtuellen kein so statischer Wert wie im realen. Nimm doch mal Digg als Beispiel. Du kannst dich in ein Internetcafe setzen, einen genialen Artikel schreiben und über eine kostenlose Blogsoftware veröffentlichen, diesen Link dann in Digg einspeisen, und nach 1 Stunde die Aufmerksamkeit von 50,000 Leuten auf dich gerichtet sehen. Diese Macht hat jeder, der interessante Ideen hat. Diese Macht durchbricht auch Hierarchien — ich kann nicht mal eben die ganzen RTL-Zuschauer erreichen mit meinen Ideen, ausser ich sitze im System, oder habe Geld für Werbezeit. Aber ich kann innerhalb 1 Woche ein Mem im Web eskalieren.

  4. Die „Macht“ derer die Du nie bei OpenBC finden wirst ist immer noch größer als die Korrekturen die da durch Aufmerksamkeitsverschiebungen aus dem virtuellen ins Meatspacige stattfindet. Das mag irgendwann anders werden, das utopische Potential ist ja noch nicht verröchelt…

    Tja, und die notorischen 50000. Hm. Klar kann man da was plazieren. Gewiss. Es sollte aber dringend etwas mit Linux oder Gadgets zu tun haben. Oder wie im Moment: Fonts! Yeah! Fonts! Zack. 3 Stunden alt. 31 Diggs. Vor 9 Tagen wurde auf Digg ein Artkel gemeldet der das Massaker in Haditha zum Inhalt hatte. Sind nur ca 30 Zivilisten, unter anderem ein 1 jähriges Kind per Kopfschuss entsorgt worden. Diggs? 2. In Worten: Zwo. Due. Two.

    Wie gesagt: Man muss erstmal ein Problem sehen, bevor man an eine Lösung geht. Ich seh da ein itziteenebitzi kleines Problem 😉

    Ich möchte dieses Dreieck aus Macht – Einkommen – Aufmerksamkeit nicht auf das Virtuelle begrenzt sehen. Ausser das ich das utopische Potential, das ich dort sehe verbissen und trotzig nicht aufgeben will. Sonst wird hier mit Sicherheit in Zukunft das gleiche Spiel nur mit anderen technischen Mitteln gespielt werden.

Schreibe einen Kommentar