Die technologische Singularität und die Wissenschaft

Ein Leser fragt in den Kommentaren ob sich die traditionelle, wissenschaftliche Welt mit dem Konzept der technologischen Singularität auseinandersetzt. Interessante Frage. Wohl kaum. Besonders in Deutschland nicht. Hier kann man seine wissenschaftliche Karriere schon beenden, wenn man Eric Drexler erwähnt. Futuristik oder Techniksoziologie schubbert sich hier an Fragen wie: Was ist wenn alle Bäume tot sind oder wie entwickelt sich der Arbeitsmarkt wenn alle einen iPod haben.

Das Szenario selbst wird und wurde schon seit den 30iger Jahren – vielleicht nicht unter dem Begriff – immer mal wieder erwähnt. Im Rahmen der sogenannten „Wissenschaftswissenschaft“ oder Scientometrie, nicht zu verwechseln mit Wissenschaftstheorie hat man sich schon damals mit der Beschleunigung des Wissenszuwachses auseinandergesetzt. Die einschlägigen Verdächtigen hiessen damals Flash Go… äh… Genadij Dobrow oder Derek J. de Solla Price. John v. Neumann hat ebenfalls mal an einem schönen Nachmittag über die Folgen einer künstlichen Intelligenz nachgedacht. Im Bereich der Kosmologie implizieren die 3 Zivilisationsstadien von Kardashev natürlich etwas singularitätsartiges. Von Kardashev hat auch Dyson die nach ihm benannten Dyson-Spären abgeleitet. Eine gute Übersicht findet man bei Bradbury. Seit den 80igern findet man genug Äusserungen von Wissenschaftlern, die eins und eins zusammenaddieren konnten und spätestens seit Drexler müsste jedem klar sein, das wer Nano oder/und AI sagt, Singularität meint.

Explizit gelehrt über den Begriff und das Konzept Singularität wird meines Wissen nicht. Ist auch klar. Das wird sich auch nach der eigenwilligen Schwarte von Herrn Kurzweil nicht ändern. Es ist ein Szenario unter vielen mit einer uns unbekannten Wahrscheinlichkeit und meines Erachtens zu radikal um aufs Katheter zu dürfen. Die Klimaforschungsindustrie steht da besser da. Da wird mit Milliarden über ein Zukunftsszenario geforscht das einen Zeithorizont von über 100 Jahren hat. Dagegen lauern die Folgen der Nanotechnologie oder künstlichen Intelligenz geradezu am Wochenende. Diese Disparität in der Wahrnehmung ist eines der großen Welträtsel.

7 Gedanken zu „Die technologische Singularität und die Wissenschaft“

  1. Also das was ich zum Thema AI gehört hab, bezog sich meistens auf Wissenbasierte (d.h. „Lernfähige“) Systeme, was im Grunde ja nichts anderes als Algorithmen sind, sprich Mathematik. Hört sich zwar schlau aber nicht sonderlich intelligent an. Vorallem sind Schachcomputer(-programme) alles andere als _kreativ_…
    Theoretische Exkurse beschränkten sich dann eher darauf, OB es überhaupt denkbar wäre, das der Mensch etwas intelligenteres erschafft als sich selbst. Klang für mich immer ganz einleuchtend. Nur, irritiert bin ich, weil ich diese technologische Singularität nie zuvor gelesen/gehört habe, obwohl mir das Konzept (dieses Gedankenexperiments) sehr einleuchtet. Ich kann auch nicht behaupten, das die Diskussion in der Uni einseitig oder unfrei war, aber sie ging halt an dem Thema Singularität vorbei.

    Was du schreibst bezüglich der Klimaforschung oder den Fragen, welche die Techniksoziologie sich stellt – ist das nicht typisch menschlich bzw. weist uns das nicht auf unsere Ursprünge hin? Das Klima, die Welt, die Medien sind doch viel greifbarer als das abstrakte (und noch recht undefinierte) konzept von AI. Natürlich beschäftigt der Mensch, als nicht-digitales sondern offline-Wesen mit dem, was seine Lebensbasis betrifft. Sehe darin jedenfalls kein Welträtsel

    Warum beschäftigt sich so wenig Sci-Fi-Literatur _konkret_ mit dem Thema Singularität, bzw. deutet das nur an („Matrix“)?

    Schönen Gruß,
    Christian

  2. Vernor Vinge hats ja versucht. Meine Vermutung: Lässt sich kein humaner Plot draus machen. Per Definition. Punkt. Deswegen ist ein Großteil der SF-Autoren seit Anfang der 90iger in die Fantasy emigriert. Sie wissen das sie Singularität nicht verkaufen können.
    Bloodmusic von Greg Bear ist da ein schönes Beispiel. Was in dem Fall plottechnisch geht, ist die Zeit vor der Singulariät. Danach verschwindet alles in einem Hürggeldumpf-Loch. Und zurück bleibt ein Haus im fallenden Schnee.
    Was die Medien betrifft: Die sind dazu verflucht den linken Teil der Glockenkurve zu bedienen. Also forget it. 😉

  3. In sofern hat die Singularität eben auch viel mit Ihrem physikalischen Namensbruder dem schwarzen Loch gemein. Es ist für den Menschen von heute extrem schwierig sich selbst in einer Welt zu sehen in der es eine freie künstliche Intelligenz gibt. Es kommt einem vor als würde man die Singularität erst verstehen, wenn man hineingezogen wurde.
    Star Treck und all die anderen SciFi Universen leben doch genau davon das die heutigen Probleme in eine futuristische Welt übertragen werden aber immer noch nicht gelöst sind.
    An die Frage, was die Milliarden von Erdbewohnern so täglich anstellen oder warum der Erdorbit in den SciFi Werken meist sehr leer ist wagt sich kaum ein Werk.
    Selbst in der Orions Arm Comunity, die Ihre Welt gut 10000 Jahre nach der Singularität ansiedeln, findet man viel eher aktuelle Probleme als die Probleme, die aus der Singularität hervorgehen.

    Aber im Grunde genommen macht es auch keinen Unterschied, ob man über starke KI, die Nanotechnologie oder modernste Biooptimierungstechnologien spekuliert, man meint damit sowieso fast denselben Punkt. Irgendwann wird man die inteligenten Nanoroboter in seinen Zellen nicht mehr von ’sich selbst‘ unterscheiden können. Man kann nur hoffen, das es nicht irgendwann heisst : ‚Wir sind die Menschen. Sie werden integriert werden. Wiederstand ist zwecklos‘

  4. Nun, da brauchen wir wohl ein Pendant zum Singularity Institute in Deutschland. Geld spielt doch keine Rolle – wie man an der „Du bist Deutschland“-Kampagne sieht. Also ran an den rechten Teil der Glockenkurve, Geld einsammeln und loslegen. Präsident und Direktor eines Instituts – wie wärs Herr Becker 😉

  5. Ich mag das Bild mit dem schwarzen Loch, auch wenn die implizierte Zukunft nicht gerade vorteilhaft für Homo sapiens ist. Aber nach den Schritten in der Kette ist AI zwangsläufig, was aus dem Wasser kriecht, fliegt auch irgendwann zu den Sternen. Die vergangenen Zwischenstufen sind aber keine literarische Form mehr wert, am ehesten noch im Sinne der biologischen Disziplin. Interessant die Frage wie sich Beziehungen der AI gestalten.
    „Er“ zu „Ihr“: „Schatz, laß uns etwas noch intelligenteres bauen.“

  6. Ich bin bei Wikipedia über den Begriff der technologischen Singularität (tS) gestolpert, als ich mich über die Kardaschow-Skala informieren wollte. (auch interessant und lustig!)
    Meiner Meinung nach müssen wir uns nicht fragen, wann die tS ins Haus steht, denn wir sind mitten drin!! Oder kann sich von euch irgendjemand alle Kenntnisse die notwendig sind um einen Computer vollständig zu verstehen in diesem Leben aneignen (Anordnung der über 100 Mio Transistoren, genauer Aufbau, Schwingkreise, komplexe und imaginäre Anteile i.d. Wechselstromlehre, skin effekt, Datenverarbeitung über magnetische oder lasergesteuerte Verfahren, Interferenzmusternutzung zur Fokussierung des Laserstrahls im CDROM um eine Datenspur zu fixieren (inkl. der mehr als komplexen Mechanik die die Linse ein paar 1000 mal pro Sekunde neu justiert)?
    Wohl sicherlich nicht!! Falls wir hier doch noch ein paar Freaks unter uns haben:
    Wie steht es mit den Kenntnissen über die moderne Physik (Qantenfeldtheorie, Quarks (Chromodynamik?), Welle-Teilchen-Dualismus, Schrödinger Gleichung, Maxwellgleichungen, Forschungsstand über Gravitation(Gravitationswellen) und Einsteins „Äther“ = heute als Feld bezeichnet?.
    Ganz ehrlich: Niemand wird es je schaffen, alleine die Oberflächliche Abhandlungen der Phänomene und Gegebenheiten, die im Brockhaus zu finden sind, sich anzueignen!!!
    Wir sollten besser nach einem Weg suchen unsere Gehirne zu „tunen“, um unserer mehr als lächerlichen Gedächtnisleistung auf die Sprünge zu helfen. (Psychologie: Die meisten Menschen können nur 7 +-2 neue Begriffe bzw. Konstrukte „Chunks“ aufnehmen und anschließend verarbeiten, bis die neuen Nervenbahnen gelegt sind vergeht einfach zu viel Zeit)
    Gruß Alex

  7. @Alex
    Technologische Singularität ist nach meinem Verständnis erst erreicht wenn _kein_ (normaler) Mensch die Technologien begreifen kann, also Menschen allgemein nicht mehr.

    Ich glaube ausserdem das man die KIs kontrollieren und selbstreplizierende Nanobots verhindern kann.

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